Do´s and don’ts bei Verbandstreffen – Kartellrechtliche Schranken des Informationsaustauschs

von David Fleschen

marketSteel: Verbandstreffen scheinen von „Kartellrechtlern“ mit einem gewissen Argwohn betrachtet zu werden, teilen Sie diese Einschätzung?

Sebastian Herrmann: Nicht grundsätzlich. Verbandstreffen bieten zunächst einmal ein wichtiges und legitimes Forum für Diskussionen zu marktrelevanten Themen von Unternehmen aus einer Branche. Erfolgreiche Verbandsarbeit zeichnet sich nicht zuletzt durch ein engagiertes Zusammenwirken der Mitglieder aus. Auf der anderen Seite ist natürlich zu berücksichtigen, dass die Zusammenkunft von Wettbewerbern zwecks Erörterung geschäfts- und unternehmensbezogener Themen schon per se eine kartellrechtlich sensible Situation schafft.

 

marketSteel: Worin genau liegt diese „sensible Situation“ begründet?

Sebastian Herrmann: Letztlich geht es in erster Linie um das Thema Absprachen bzw. den Austausch marktsensibler Informationen. Dort beginnt die Grenze zur Kartellrechtswidrigkeit. Der BGH hat in einer recht aktuellen Entscheidung (April 2016) deutlich auf Folgendes hingewiesen: Bereits aus dem Austausch marktrelevanter Informationen resultiere eine Vermutung, dass dies zu einem abgestimmten Marktverhalten führt. Ähnlich streng sieht es der Europäische Gerichtshof, der in diesem Bereich ebenfalls viel mit der bloßen Vermutungswirkung argumentiert. Das bedeutet natürlich nicht, dass grundsätzlich keine marktbezogenen Themen erörtert werden dürfen. Denn das ist ja in der Regel der eigentliche Sinn und Zweck der Veranstaltung. Es kommt auf die Information als solche an.

 

marketSteel: Worüber darf gesprochen werden und worüber nicht?

Sebastian Herrmann: Die Absprache von Preisen ist bekanntermaßen immer ein heißes Thema. Das steht außer Diskussion. Oft übersehen wird aber, dass nicht nur der Austausch von Preisen selbst ein Problem darstellt, sondern auch die Erörterung von Preisbestandteilen wie Rabatte, Skonti  und Margen oder auch geplante Preiserhöhungen und -senkungen. Sogenannte marktsensible und damit kartellrechtlich relevante Informationen können auch solche zu Marketingplänen, Kundendaten und Ergebnisse von Kundengesprächen oder geplante Marktstrategien sein. Etwas anderes gilt bei allgemein zugänglichen Daten und öffentlichen Statistiken oder wenn es sich um historische oder aggregierte – also anonymisierte bzw. auf einen Durchschnitt berechnete – Daten handelt, die keinen Rückschluss auf Unternehmensspezifika zulassen.

 

marketSteel: Das heißt, ich halte mich als Teilnehmer eines Verbandstreffens tunlichst zurück, wenn kartellrechtlich sensible Themen angesprochen werden?

Sebastian Herrmann: Das reicht leider nicht. Wenn es um den Austausch marktsensibler Informationen geht, sind die Gerichte und Kartellbehörden äußerst streng. So hat etwa das Gericht der Europäischen Union, EuG, in einer vielbeachteten Entscheidung aus dem Jahr 2010 allein die Anwesenheit eines Unternehmensvertreters auf einer Verbandstagung, bei der Informationen zu Preisen ausgetauscht wurden, als kartellrechtlich relevantes „abgestimmtes Verhalten“ bewertet. Obwohl sich der Betroffene mit keinem Wort zu der Thematik geäußert hat.  Die Begründung des EuG: Der betroffene Unternehmensvertreter ermutige durch seine bloße Anwesenheit die anderen Teilnehmer. Damit werden – gerade auch im Verhältnis zu eben jenem Unternehmensvertreter – Unsicherheiten nur einseitigen unternehmerischen Verhaltens überwunden. Auch hier wurde wieder mit einer bloßen Vermutungswirkung gearbeitet. Davon mag man halten was man will: Auf der sicheren Seite ist man, wenn man den altbewährten Grundsatz „shout and get out“ beherzigt, sprich das Verbandstreffen verlässt und dies explizit zu Protokoll nehmen lässt, wenn entsprechend kartellrechtssensible Informationen zur Sprache kommen sollten.

 

Sebastian Herrmann, Rechtsanwalt/Partner bei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Rechtsanwälte mbB

Informationen zum Autor

Sebastian Herrmann ist langjähriger Experte in den Bereichen Vertragsrecht und Kartellrecht. Er erstellt und verhandelt für Unternehmen Verträge in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts. Zudem berät er im Bereich der kartellrechtlichen Prävention, implementiert Vertriebssysteme und begleitet Transaktionen. Zu den Themen Vertrags- und Kartellrecht referiert er seit mehreren Jahren für renommierte Seminarveranstalter und gibt regelmäßig Mitarbeiter-Schulungen im Bereich Compliance/Kartellrecht (weitere Informationen unter http://www.hlfp.de/anwaelte/sebastian-herrmann.

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