Digitalisierung erfasst alle Glieder der Supply Chain

von Our guest commentary

Gastkommentar von Dr. Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

 

Das Internet der Dinge fordert alle Bereiche der Wirtschaft und der Gesellschaft heraus. Auch der Einkauf ist von diesem Megatrend betroffen. Allerdings geht die digitale Transformation weit über die Beschaffung hinaus. Sie betrifft vielmehr alle Glieder der Wertschöpfungs- und Lieferketten. Während Großbetriebe auf diesem Gebiet schon weit vorangekommen sind, tun sich Klein- und Mittelunternehmen bei der Einführung und konsequenten Nutzung digitaler Technologien noch schwer. Das hat unsere Folgestudie „Einkaufsbarometer Mittelstand 2020“ deutlich aufgezeigt, die gemeinsam von Onventis, ESB Business School und BME durchgeführt wurde.

Die von Industrie 4.0 ausgehenden neuen Möglichkeiten zur Optimierung der Arbeitsabläufe in den Unternehmen waren bereits vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie in aller Munde. Die Corona-Krise hat diesen Prozess allerdings beschleunigt und sollte von den Unternehmen nicht als Bedrohung, sondern vielmehr als große Chance begriffen werden. Denn: Mithilfe modernster elektronischer Lösungen können Einkauf, Logistik und Supply Management noch stärker als bisher schon zu einem echten Pacesetter in ihren Unternehmen werden.

Die erfolgreiche Digitalisierung ganzer Wertschöpfungs- und Lieferketten sowie die damit verbundene Neuausrichtung des Risiko- und Lieferantenmanagements im Einkauf wirft in den Unternehmen viele Fragen auf. Immer, wenn sich neue Technologien ihren Weg bahnen, ist der Informationsbedarf der Nutzer groß. Der BME hat darauf einmal mehr reagiert und in seinem aktuellen Whitepaper „Digitalisierung in der Supply Chain“ vier Handlungsempfehlungen formuliert.

  1. Digitalisierungstechnologien kennen!

Viele Digitalisierungstechnologien sind den Namen nach gut bekannt. Doch einige derjenigen Technologien, die speziell für Lieferketten relevant sein könnten, sind teilweise deutlich weniger als der Hälfte der Supply Chain Manager geläufig.

Um richtige Entscheidungen zur Digitalisierung von Supply Chains treffen zu können, müssen die dafür Verantwortlichen die relevanten Technologien kennen und sich mit ihnen intensiv auseinandersetzen. Ansonsten besteht insbesondere für KMU die Gefahr, bei der digitalen Transformation abgehängt zu werden.

  1. Bei der digitalen Transformation nicht abgehängt werden!

Der derzeitige Umsetzungsstand digitaler Technologien ist gering. Einzig Cloud Computing, Roboter und Automatisierung sowie – mit Abstrichen – Big Data Analytics werden bereits umfassend eingesetzt. Alle anderen Digitalisierungstechnologien spielen gegenwärtig keine große Rolle. Der Blick in die Zukunft zeigt eine Intensivierung der Digitalisierungsbestrebungen. Dennoch bleiben Unternehmen – zumindest in den kommenden zwei Jahren – auch hier bis auf die drei oben genannten Technologien zurückhaltend.

Die Implementierung und Nutzung von Digitalisierungstechnologien ist immer auch eine Frage des Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Derzeit erwartet man von der Nutzung der Digitalisierungstechnologien noch keinen ausreichenden Mehrwert der die hohen Kosten für Investitionen und die Umstrukturierung rechtfertigt. Dennoch kann es mittelfristig sinnvoll sein, bereits jetzt Digitalisierungstechnologien im eigenen Unternehmen umzusetzen: nicht nur, um sich nicht abhängen zu lassen, sondern – im Gegenteil – um das Thema Digitalisierung proaktiv anzugehen und frühzeitig Wettbewerbsvorteile zu sichern.

  1. Gezielt Nutzen realisieren!

Die Umsetzung von Digitalisierungstechnologien sollte mit der Wettbewerbsstrategie des Unternehmens abgeglichen werden. Es muss vor allem geklärt werden, welche Technologie sich für welchen Prozess im Supply-Chain-Operations-Reference-Modell besser oder schlechter eignet. Gleichzeitig ist zu analysieren, welcher Digitalisierungsansatz zu welchen Verbesserungen führen kann.

  1. Treiber nutzen, Hemmnisse eliminieren!

Treiber und Hemmnisse sollten bei Digitalisierungsbestrebungen stets im Vorfeld ausreichend berücksichtigt werden. Dies kann beispielsweise im Rahmen einer umfassenden Analyse erfolgen. Für das wesentliche Hemmnis bei der Einführung von Digitalisierungstechnologien, die fehlenden Personalressourcen, lassen sich mehrere Empfehlungen ableiten: Zunächst sind Stellenprofile anzupassen oder auch neu zu konzipieren, bei denen Know-how nicht nur im Supply Management, sondern auch, deutlich intensiver als bisher, im Bereich Digitalisierung explizit erwartet (aber auch gefordert) wird. Die Zusammenarbeit mit Hochschulen bietet auch KMU die Möglichkeit, frühzeitig Kontakt zu Absolventen aufzubauen und damit „frisches Wissen“ in das eigene Unternehmen zu holen.

 

Dr. Silvius Grobosch

Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

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