Die Stahlindustrie muss flexibler und anpassungsfähiger werden

von David Fleschen

Interview mit Dipl.-Ing. Herbert Eibensteiner, Mitglied des Vorstandes der voestalpine AG und Vorsitzender des Vorstandes, voestalpine Stahl GmbH

 

marketSTEEL: Die globalen Überkapazitäten und der Emissionsrechtehandel sind nur zwei der Herausforderungen, vor denen die Stahlbranche steht. voestalpine hat sich den Umbau zu einem Technologiekonzern auf die Fahne geschrieben. Inwieweit ist ihr Unternehmen von den Problemen der Stahlindustrie überhaupt noch betroffen?

Stahl macht noch rund 30 Prozent unseres Umsatzes aus. Der voestalpine-Konzern agiert mittlerweile in verschiedenen Branchen, fokussiert sich auf die hochqualitative Weiterverarbeitung – auch anderer Materialien – und treibt Produkt-, Prozess- und Produktionsinnovationen konsequent voran. Nur mehr 30 % des Konzernumsatzes entfällt auf den „klassischen“ Stahlbereich. Trotzdem verfolgen wir die Entwicklungen im Emissionsrechtehandel natürlich sehr genau. Fairer Handel ist ein globales Thema. Wir sind Vertreter des freien Handels, aber wenn die Regeln nicht eingehalten werden, dann muss dies entsprechend adressiert werden.

marketSTEEL: Protektionismus und Abschottung der Märkte stehen derzeit in vielen Ländern hoch im Kurs. Ist es da der richtige Weg, Strafzölle zu fordern?

Das Pendel  schlägt im Moment in die Richtung Protektionismus, das merken wir alle. Der Auslöser dafür war China. Nicht nur in der Stahlindustrie, auch in vielen anderen Branchen. In China sind die Überkapazitäten ein strukturelles Problem. Es wäre ein erster Schritt, wenn China Kapazitäten, die zweifellos zu viel sind, tatsächlich aus dem Markt nimmt.

marketSTEEL: voestalpine forciert seine Expansion in Nordamerika mit neuen Standorten in den USA und Mexiko. Ändern die neuen politischen Vorzeichen in den USA etwas an der Ausrichtung?

Der amerikanische Markt ist für uns wichtig und der Politikwechsel in den USA eine neue Realität, mit der wir leben werden. Eine Antwort auf Zollbeschränkungen ist es, Produkte in die USA zu liefern, die die USA selbst nicht produzieren können. Wichtig ist auch die Produktion vor Ort. Das sieht man bei voestalpine beispielsweise im Automobilbereich, wo wir unsere Kunden lokal beliefern und vor Ort produzieren.

marketSTEEL: Wie muss sich die deutsche Stahlindustrie entwickeln, um auch in zehn Jahren noch eine wichtige Rolle zu spielen?

Die europäische Stahlindustrie muss in zehn Jahren flexibler und anpassungsfähiger sein als jetzt und eine höhere Wertschöpfung erzielen. Der Weg dahin: Die Produktion von hochqualitativem Stahl, der in High-Tech-Produkte fließt, und keine Commodity-Produkte mehr. Dass dies am besten in einer engen Entwicklungspartnerschaft mit den Kunden funktioniert, zeigen schon jetzt zahlreiche Beispiele – vor allem in der Automobilindustrie. Die moderne Stahlindustrie liefert Antworten auf scheinbare Wiedersprüche. Zum Beispiel „Wie kann Gewicht und folglich Energieverbrauch sowie Emissionen kontinuierlich verringert und gleichzeitig die Crashperformance erhöht werden?“ Die Herausforderungen unserer Kunden sind unsere Chancen. Die Wohlfühlzone von innovationsgetriebenen Unternehmen wie voestalpine beginnt dort, wo die Anforderungen schwierig oder fast unerfüllbar erscheinen. Beispielhaft ist dabei die Entwicklung ultraleichter und höchstfester Stähle einschließlich völlig neuer Umformungstechnologien über Verfahren, die lange als technologisch nicht machbar galten. Europäischer Stahl muss moderner werden und die Kunden voranbringen, dann verschwindet langfristig auch die Assoziation mit einer „Old Economy“.

 

Quelle und Fotos: marketSTEEL

 

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