Die EU benötigt einen Investitions-Turbo
von Dagmar Dieterle
„Für das Gelingen der Energiewende benötigen wir in den kommenden Jahren einen Investitions-Turbo in saubere Technologien. Dazu gehören allen voran der Ausbau der Erneuerbaren Energien aber auch die dazugehörige Netzinfrastruktur sowie der Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft. Die USA sind hier mit dem Inflation Reduction Act (IRA) bereits vorgeprescht. Es ist richtig, dass die EU nun mit einer eigenen Industriestrategie antwortet. Dem De-Industrialisierungsgespenst müssen wir den Geist der innovativen Wertschöpfung entgegenstellen.
Klar ist: ein Großteil der benötigten Investitionen wird von privaten Akteuren getätigt werden. Flankierend ist allerdings auch eine gezielte staatliche Unterstützung notwendig. Bürokratische Beihilfeverfahren auf EU-Ebene haben hier in der Vergangenheit häufig wichtige Energiewende-Projekte verzögert. Es ist daher positiv, dass die EU-Kommission die Verfahren nun weiter beschleunigen und die Gewährung staatlicher Unterstützung für saubere Technologien vereinfachen möchte.
Noch wichtiger ist allerdings die Schaffung eines regulatorischen Rahmens, der Investitionen in saubere Technologien entfesselt, anstatt sie auszubremsen. Zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Erneuerbaren-Ausbau hat die EU bereits wichtige Weichen gestellt. Gerade mit Blick auf den Wasserstoffhochlauf ist jedoch noch mehr Mut und Pragmatismus gefragt, um nicht gegenüber anderen Regionen ins Hintertreffen zu geraten: Die EU-Kommission sollte schnellstmöglich Klarheit über die Definition von erneuerbarem Wasserstoff schaffen damit Unternehmen wichtige Investitionsentscheidungen treffen können. Zudem darf diese Definition nicht zu restriktiv sein, da ansonsten der industriebezogenen Hochlauf von Elektrolyseuren blockiert wird.
Zur Schaffung einer langfristigen Investitionssicherheit gehört zudem auch, dass die angekündigte Reform des europäischen Strommarktdesigns effiziente Marktmechanismen nicht leichtfertig aufs Spiel setzt und das langfristige Funktionieren des Gesamtsystems Energieversorgung im Blick behält. Richtig ist, dass die EU-Kommission einen besonderen Fokus auf die Verfügbarkeit von Technologien und Rohstoffen legt. Wir haben uns in bedenkliche Abhängigkeiten begeben, was für die Umsetzung der Energiewende notwendige kritische Rohstoffe angeht. Diese Abhängigkeiten sind im Zuge der Corona-Pandemie und daraus resultierender Lieferengpässe verstärkt worden und aufgrund der politischen Konsequenzen des russischen Eroberungskriegs gegen die Ukraine nochmals verschärft zu Tage getreten. Es besteht nun dringender Handlungsbedarf zur Reduzierung dieser Abhängigkeiten. Auf der einen Seite sollten daher Freihandelsabkommen mit anderen Weltregionen geschlossen und internationale Kooperationen verstärkt werden. Auf der anderen Seite sollten auch industrielle Produktionskapazitäten innerhalb der EU erhöht werden, um den steigenden Bedarf nach Transformationstechnologien stärker aus heimischer Produktion decken zu können.
Darüber hinaus ist es richtig, dass die EU-Kommission das Thema des steigenden Fachkräfte-Bedarfs adressiert. Die Fachkräfte-Frage bildet derzeit ein „Nadelöhr der Transformation“ und der steigende Fachkräftemangel stellt ein akutes Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa und Deutschland dar. Verlässliche Perspektiven und sichere Rahmenbedingungen sind Voraussetzung dafür, dass Unternehmen investieren, neue Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen und Fachkräfte eine Entscheidung für diese Branchen treffen. Die Bundesregierung hat mit ihrer Fachkräfte-Strategie und ihren Arbeiten im Rahmen der Allianz für Transformation bereits erste, wichtige Schritte auf den Weg gebracht.
Europa und Deutschland stehen in einem weltweiten Wettbewerb um die besten klimafreundlichen Technologien für unsere Industrie von morgen. Andere Länder und Weltregionen, wie etwa die USA, haben bereits notwendige Weichenstellungen vorgenommen. Ohne in einen Subventions‐Überbietungswettkampf einzusteigen, müssen wir dafür Sorge tragen, dass in Deutschland und Europa in ähnlichem Maße Kapital zur Verfügung steht, um die die massive Transformation zur Klimaneutralität zu bewältigen. Klar ist: Wir können uns aus dieser Krise nur heraus investieren.“
Quelle: BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.
Fotos: BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. und fotolia