Die Bedeutung von Scope 3.1-Emissionen in der Stahlindustrie

von Dagmar Dieterle

Die Swiss Steel Group ist ein führender Anbieter von Spezialstahl und damit verbundenen Dienstleistungen. Die Gruppe produziert hochwertige Stahlprodukte für verschiedene Branchen wie Automobil, Maschinenbau, Medizintechnik und Energie. Die Swiss Steel Group verfügt über Standorte in Europa, Amerika und Asien und verfolgt eine auf Nachhaltigkeit und Innovation ausgerichtete Strategie. Die Gruppe wurde kürzlich mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet und wird von der Bundesregierung bei einem Wasserstoffprojekt zur nachhaltigen Stahlproduktion unterstützt.

 

Wir sprachen mit Robert Baron, Director Corporate Strategy, Swiss Steel Group

marketSTEEL: Die Swiss Steel Group wurde vor Kurzem mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. Welche Anstrengungen unternimmt die Swiss Steel Group in Sachen Dekarbonisierung?

Wir sind sehr stolz auf diese Auszeichnung. Sie honoriert die großen Anstrengungen aller Mitarbeitenden unserer Gruppe im Bereich Nachhaltigkeit, sowohl an unseren Standorten vor Ort als auch übergeordnet.
Wir setzen unsere emissionsarme Technologie seit Jahrzehnten erfolgreich ein und sind daher Experten für nachhaltige Stahlproduktion.

Trotz des bereits heute sehr geringen CO2-Fußabdrucks unserer Produkte ergreifen wir natürlich weiterhin Maßnahmen, um diesen weiter zu reduzieren. Dazu gehören neben einem noch effizienteren Energieeinsatz auch Maßnahmen wie die Elektrifizierung und das verstärkte Recycling von Industrieabfällen.

 

marketSTEEL: In Ihrem  Vortrag auf dem futureSTEEL-Kongress  legten Sie den Schwerpunkt auf die CO2-Emissionen der eingekauften Rohstoffe und sagten, dass genau hier der Fokus der Dekarbonisierung liegen muss. Warum ist das so und was tut die Swiss Steel Group, um genau diese Emissionen zu reduzieren?

Der CO2-Fussabdruck von eingekauften Rohstoffen und Vormaterialien macht im Durchschnitt 60 bis 80 Prozent der Gesamtemissionen eines Unternehmens aus. Dies gilt auch für energieintensive Industrien, die selbst hohe Emissionen verursachen.

Im Stahlsektor wird viel über die Umstellung der Hochofenroute auf saubere Technologien gesprochen. Dies muss geschehen, damit die Hochofenroute ihre eigenen hohen direkten Emissionen reduziert. Aber es reicht nicht, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. Man muss auch dafür sorgen, dass sich die Lieferanten bewegen und dekarbonisieren, damit man auch Rohstoffe und Vormaterialien anbieten kann, die einen geringeren CO2-Fußabdruck haben.

Bei der Swiss Steel Group schauen wir bereits heute über den Tellerrand hinaus und haben dieses Jahr als erster europäischer Stahlhersteller die Emissionen unserer Lieferanten systematisch abgefragt und den CO2-Fussabdruck als eines unserer Auswahlkriterien in den Entscheidungsprozess beim Einkauf integriert.
Darüber hinaus arbeiten wir an unserem französischen Standort Ugine daran, die weltweit erste in ein Stahlwerk integrierte Recyclinganlage für Legierungen in Betrieb zu nehmen. Dort werden wir die vor allem für unsere Edelstahlgüten benötigten Legierungsstoffe selbst aus Industrieabfällen gewinnen und damit auf Primärlegierungen aus Minen verzichten, die einen sehr hohen CO2-Fußabdruck haben.

 

marketSTEEL: Die gesamte Industrie in Deutschland leidet derzeit unter den hohen Energiekosten und der Marktabschwung ist für alle spürbar. Im Stahlbereich sind es vor allem die Elektrostahlhersteller, die mit einem Produktionsrückgang von über 12% im Vergleich zum Vorjahr zu kämpfen haben. Inwieweit bleiben bei solchen Marktbedingungen die Nachhaltigkeitsbemühungen auf der Strecke?

Die Marktbedingungen sind in der Tat herausfordernd. Nicht nur für uns, sondern für alle in Deutschland produzierenden Stahlhersteller und energieintensiven Industrien.

Dennoch verfolgen wir unsere Nachhaltigkeitsziele konsequent weiter, denn wir sehen in einem noch geringeren CO2-Fußabdruck unserer Produkte einen Wettbewerbsvorteil für uns und unsere Kunden. In den kommenden Monaten werden wir daher unter anderem unsere Dekarbonisierungs-Roadmap von der Science Based Targets Initiative validieren lassen. Ab dann können wir unsere Fortschritte in Bezug auf diese Ziele jährlich transparent messen. Darüber hinaus arbeiten wir immer enger mit unseren Lieferanten, aber vor allem auch mit unseren Kunden zusammen, um nachhaltigere Produkte anbieten zu können. Ein Nachlassen bei der Dekarbonisierung ist daher keine Option, und unser Konzern investiert weiter konsequent in Nachhaltigkeitsmaßnahmen. So werden wir beispielsweise Anfang nächsten Jahres mit der Umstellung der ersten Wärmebehandlungsöfen von Erdgas auf Strom beginnen. Darüber hinaus arbeiten wir natürlich auch an Maßnahmen, die sich direkt positiv in der Gewinn- und Verlustrechnung niederschlagen, wie zum Beispiel die Steigerung der Energieeffizienz. Solche Maßnahmen zeigen, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit kein Widerspruch sein müssen. Nachhaltigkeit duldet keine Ineffizienz.

Wichtig sind aber auch die richtigen Rahmenbedingungen, die die Nachhaltigkeitsarbeit weiter fördern. Wir plädieren daher auch für einen industriellen Brückenstrompreis in Deutschland, wie er derzeit in Frankreich existiert. Dies würde die Übergangsphase erleichtern, bis ausreichend Ökostrom zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung steht.

 

Herr Baron, vielen Dank für das Gespräch.

Fotos: marketSTEEL

 

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