Deutschland droht die Deindustrialisierung

von Dagmar Dieterle

Die Deindustrialisierung geht als „Unwort“ durch Deutschland. Durch die hohe Inflation wird es zu teuer, in Deutschland zu produzieren. Wird Deutschland als Industrieland zum Auslaufmodell? Der Blick über den Tellerrand zeigt – anderswo geht es günstiger.

 

Zahlreiche Industriebereiche reagieren mittlerweile mit Produktionskürzungen, um Gas und Strom zu sparen. Die Stahlbranche hat ihre Produktion um rund 5 %, die Chemie um 8 % zurückgefahren. Und weil kürzere Arbeiten in den betroffenen Betrieben wegen der Öfen und Brenner, die langwierig auf Temperatur gebracht werden, oft nicht geht, machen die meisten Werke erst mal für ein paar Wochen Pause – Ende offen.

Ein Blick in die verwandte Aluminium-Branche zeigt die Entwicklung. Wenn die deutsche Politik nicht rasch ihre Energiepolitik ändere, werden diese Schlüsselindustrien aus Deutschland verschwinden, warnt Hinrich Mählmann, Präsident des Gesamtverbandes der Aluminium-Industrie. Er sieht für sein Unternehmen, die Otto-Fuchs-Gruppe, keine Möglichkeit, ohne Produktionskürzungen weniger Gas zu verbrauchen. Wir können nicht 15 % einsparen, ohne die Produktion zu reduzieren, so Mählmann. Weniger Produktion bedeutet, dass auch weniger ausgeliefert werden kann.

Die Folgen zeigen sich in fast alle Branche, wie z.B. der Automobilindustrie, beim Bau und vielen mehr.

Wenn wir nicht zeitnah einen Weg aus der Energiekrise finden, wird es bald keine Aluminiumhütten mehr in Deutschland geben, sagt Mählmann. Eine solche Deindustrialisierung bedeutet eine Verlagerung in Regionen mit deutlich geringeren Sozial- und Umweltstandards. Wie das in die von der EU ausgerufenen CO2-Strategie passt, bleibt zu diskutieren.

Der Verband der europäischen Metallindustrie Eurometaux fordert von der EU-Kommission sofortige Maßnahmen, um die strategischen energieintensiven Industriezweige zu bewahren und dauerhafte Arbeitsplatzverluste zu verhindern.

Schon heute werden durch die hohen (Energie-) Kosten einzelne Werke unrentabel. So hat etwa der Stahlhersteller ArcelorMittal in Deutschland zwei Anlagen bis auf Weiteres stillgelegt, weil sich die Produktion nicht mehr rechnet. ArcelorMittal bezieht stattdessen bestimmt Vorprodukte aus Werken im Ausland. Mehrere mittelständige Gießereien mussten 2022 bereits Insolvenz anmelden. Auch der Verband der Giessereien aus Düsseldorf fordert ein Umdenken auf dem Zukunftstag der Gießerei im September 2022.

„Die Unternehmen drosseln ihre Produktion. Täglich verlieren wir Wertschöpfung, die nicht zurückkommen wird. Wir haben den Abgrund vor Augen“, warnt Christian Vietmeyer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung aus Düsseldorf.

Schön zusammen gefasst formuliert Dr. Marc Lucassen, IHK Schwaben: „Wenn wir diese Krise nicht in den Griff bekommen, werden immer mehr Unternehmen in Schieflage geraten.“ Dies sind Vorboten der Deindustrialisierung. „Eine Abwanderungsbewegung sei damit bereits in Gang gesetzt.“

 

Fotos: fotolia und marketSTEEL

 

 

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