Der Weg zum klimaneutralen Stahlwerk – mittels Eisen-Nuggets
von Dagmar Dieterle-Witte

Interview marketSTEEL mit Matthias Rudloff, CEO von AMBARtec
marketSTEEL: Können Sie uns kurz AMBARTEC vorstellen? Was ist Ihr technologischer Schwerpunkt?
Unser Fokus sind Wasserstoffspeicher auf der Basis von Eisen-Nuggets, mit denen sich Wasserstoff sehr effizient und sicher speichern und transportieren lässt.
marketSTEEL: Wie kam es zur Gründung von AMBARTEC, und was war die ursprüngliche Vision?
Wir haben den bereits bekannten Eisen-Wasserdampf-Prozess zu einer wirtschaftlichen Wasserstoffspeichertechnologie weiterentwickelt, um so den Missing Link zwischen Wasserstofferzeugern und -Nutzern zu schließen.
marketSTEEL: Die Stahlindustrie steht unter Druck, CO₂-neutral zu werden. Welche Rolle spielt Wasserstoff in diesem Wandel?
Wir nehmen wahr, dass die großen deutschen Stahlwerke, die derzeit Hochöfen mit hohem CO2 Ausstoß betreiben, sich in Richtung Direktreduktion mit Wasserstoff bewegen. Dazu wurden Fördermittel in Milliardenhöhe bewilligt. Neben erheblichen technischen Herausforderungen ist nicht klar, ob ausreichende Mengen an kostengünstigem grünen Wasserstoff bereitgestellt werden können, um diese Anlagen wettbewerbsfähig zu betreiben.
Mit dem Eisen-Wasserdampf-Prozess gibt es eine kostengünstigere, technisch erprobte alternative Lösung. Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Rouge Wasserstoff Engineering aus Graz bieten wir eine Technologie, die Hochofengase (Gichtgas, Kokereigas, Konvertergas) zu hochwertigem Wasserstoff aufzubereiten und das CO2 dabei abzuscheiden und für die Einlagerung via CCS zur Verfügung zu stellen. Damit kann ein bestehendes Stahlwerk durch Nachrüstung einer Abgasnachbehandlung weitestgehend klimaneutral werden ohne das komplette Werk neu aufzusetzen. Voraussetzung dafür ist, dass das gerade in Überarbeitung befindliche CCS-Gesetz auch die Einlagerung von CO2 aus der Stahlindustrie gestattet.
Andererseits bieten unser Eisen-Nuggets als Wasserstoff-Speicher in Form von Schüttgut eine kostengünstige und sichere Alternative zu Ammoniak als Transportmedium für Wasserstoff.
marketSTEEL: Wie bewerten Sie die derzeitige Umsetzungsbereitschaft der Industrie für den Umstieg auf Wasserstofflösungen?
Viele Unternehmen sind bereit, Wasserstoff in ihren Prozessen einzusetzen. Allerdings dürfen sich dadurch im internationalen Vergleich keine Wettbewerbsnachteile ergeben – etwa durch zu hohe Kosten oder komplizierte Genehmigungsverfahren.
marketSTEEL: AMBARTEC hat ein eigenes Verfahren zur Wasserstoffspeicherung entwickelt. Wie funktioniert Ihre Technologie konkret?
Im Kern geht es um die Reduktion und Oxidation von Eisenoxid bzw. Eisen: Beim Beladen des Speichers reduziert der zugesetzte Wasserstoff das Speichermedium Eisenoxid. Dort, wo der Wasserstoff benötigt wird, führt man dem Speicher dann Wasserdampf zu. Dadurch oxidiert das Eisen und Wasserstoff wird freigesetzt.
Unsere Technologie eignet sich, wie bereits erwähnt, auch noch für andere Anwendungen, insbesondere, wenn es um Stahlwerke geht. Hier wird der Speicher mit den energiereichen kohlenstoffhaltigen Restgasen aus dem Hochofenbetrieb unter Abscheidung von CO2 beladen. Bei der Entladung mit Wasserdampf entsteht reiner Wasserstoff, der energetisch oder im Prozess klimaneutral genutzt werden kann
marketSTEEL: Welche Vorteile bietet Ihre Speicherlösung im Vergleich zu herkömmlichen Methoden wie Drucktanks oder Flüssigwasserstoff?
Ein Vorteil ist die hohe volumetrische Energiedichte unserer Speicher. Aus 10 Litern beladener Eisen-Nuggets wird 1 kg Wasserstoff ausgespeichert. Damit erreichen wir etwa das Dreifache der Werte von Druckwasserstoff und erzielen sogar eine höhere Energiedichte als Flüssigwasserstoff.. Ein weiteres Plus ist die Sicherheit. Unsere Eisen-Nuggets sind kein Gefahrgut, weshalb weder Genehmigungsverfahren nach BmSchG oder der Störfallverordnung noch aufwändige zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind. Nicht zu vergessen: Eisen ist weltweit und zu viel geringeren Preis als etwa seltene Erden marktverfügbar. Aktuell setzen wir Reststoffe der Stahlindustrie als Ausgangsmaterial ein, was die Kosten deutlich reduziert.
marketSTEEL: Welche Mengen an Wasserstoff können Sie aktuell speichern – und wie skalierbar ist Ihr System?
Gegenwärtig bieten wir die Speicher integriert in 20‘-Standardcontainern in verschiedenen Größen an. Pro Container können bis zu 800 kg Wasserstoff ausgespeichert werden. Die Entladezeit beträgt minimal 30 Minuten. Wird mehr benötigt, dann lassen sich einerseits mehrere Container parallel einsetzen. Für größere Bedarfe entwickeln wir individuelle Lösungen mit Speicherbehältern bis zu 60m³ Volumen entsprechend 6 t Wasserstoff/Behälter Dabei muss vor allem die Anlagentechnik aufskaliert werden, für den Einsatz unserer Speicher gibt es keine Einschränkungen.
marketSTEEL: Wie lange kann der Wasserstoff in Ihren Speichern sicher gelagert werden?
Da die Speicher im beladenen Zustand keinen Wasserstoff enthalten, kann auch keiner entweichen. Es sind nur Eisen-Nuggets, die sich über die Zeit auch nicht verändern. Daher gibt es technisch keine zeitliche Befristung.
Vielen Dank für das Interview
Fotos: AMBARtec/© BLEND3 Frank Grätz