Selektives Plasmapolieren mit robotergeführtem Elektrolytstrahl

von Hubert Hunscheidt

„Mit JETPEP erzeugen wir selbst auf rauen und verunreinigten Bauteilen innerhalb kürzester Zeit spiegelglatte und hochglänzende Oberflächen – und zwar ganz gezielt dort, wo es der Anwendungsfall wirklich erfordert.“, erklärt Vincent Stepputat. Der studierte Fahrzeugbauer und Alumnus der TU Freiberg leitet das Ausgründungsprojekt. Gemeinsam mit Jan Justus Brenger, Michael Penzel und Sam Schröder wird er innerhalb des nächsten Jahres in enger Zusammenarbeit mit interessierten Pilotkunden eine Prototypanlage im Industriemaßstab aufbauen, und JETPEP zur marktreifen Poliertechnologie entwickeln. Die hohen Anforderungen an moderne, technische Bauteile führen dazu, dass nach dem formgebenden Fertigungsverfahren meist eine Endbearbeitung der Oberfläche notwendig ist – regelmäßig aber nicht auf der gesamten Außenhaut, sondern nur an den entscheidenden Funktionsflächen. Klassische Verfahren sind hier auf simple Geometrien oder geringe Größen beschränkt. „Nicht nur im Bereich der Additiven Fertigung sehen wir aber seit Jahren einen deutlichen Trend zu großen und funktionsintegrierten Bauteilen. Zudem wird der Zwang, immer das gesamte Werkstück zu bearbeiten, wenn auch ein Bruchteil des Aufwands ausreichend wäre, zunehmend in der Industrie kritisiert“, weiß Vincent Stepputat.

Die Folge: „Immer öfter ist kein automatisierbares Verfahren für die Endbearbeitung geeignet, und es muss auf archaische Mittel zurückgegriffen werden. Das Polieren, Entgraten und Reinigen in langwieriger Handarbeit ist teuer, fehleranfällig und eine erhebliche Belastung für Mitarbeitende und Umwelt.“ Das Plasmapolieren verspricht hier mit Bearbeitungszeiten im Sekundenbereich Abhilfe, stößt jedoch schnell an seine geometrischen Grenzen. „Beim Plasmapolieren sind mit steigender Bauteiloberfläche immer höhere Stromstärken notwendig, die es für große Werkstücke schnell unwirtschaftlich machen. Das stellte bisher eine entscheidende Schranke für das Verfahren dar“, erklärt Michael Penzel. Diese Grenze durchbricht jetzt JETPEP: Unter Anwendung umweltfreundlicher Salzlösungen als Elektrolyte wird das Bauteil in einem Prozessschritt gereinigt, geglättet, sterilisiert und entgratet – ohne vorheriges Entfetten. Anwendbar auf theoretisch beliebig große Werkstücke und nahezu alle industriell relevanten Legierungen, sorgt ein Roboter für die notwendige Automatisierung. Durch den niedrigen Druck des Strahls und eine schützende Gashülle ist JETPEP frei von thermischer und mechanischer Belastung, sodass selbst filigrane Formen erhalten bleiben. „Damit überwindet JETPEP eine bisher entscheidende Grenze des Plasmapolierens, und eröffnet dessen Vorteile auch für große Bauteile und eine kontinuierliche Bearbeitung“, so Penzel weiter. „Unser modulares Anlagensystem sichert die schnelle Anpassbarkeit an unterschiedliche Anwendungsszenarien – von der vollautomatisierten Fertigungsstraße bis zur Desktopanlage für beispielsweise Goldschmiede“.

Dabei gehört die Kerntechnologie – das Plasmapolieren – zu den Forschungsschwerpunkten des Lehrstuhls für Additive Fertigung von Prof. Henning Zeidler an der TU Freiberg, der JETPEP als wissenschaftlicher Mentor unterstützt. „JETPEP ist ein großer Schritt nach vorn, für den es nicht nur in der Endbearbeitung von additiv gefertigten Metallbauteilen dringenden Bedarf gibt“, weiß Prof. Henning Zeidler, „Die Vorversuche sind sehr vielversprechend, und haben breites Interesse geweckt. Jetzt muss die Technologie in die Industriereife überführt werden.“ Insbesondere das automatisierte Polieren von Schweißnähten, die Herstellung hochglatter und funktionaler Oberflächen in den Bereichen Medical, Aerospace und Automotive, das hocheffiziente Entgraten nach der mechanischen oder laserbasierten Bearbeitung sowie das Polieren, Reinigen und Sterilisieren im Bau von chemie- und lebensmitteltechnischen Anlagen präsentieren sich als vielversprechende Anwendungsfelder.

Für Prof. Henning Zeidler ist JETPEP nicht die erste erfolgreiche EXIST-Ausgründung. Bereits für ein innovatives 3D-Druckverfahren für Kupferspulen, das die Fertigung von Elektromotoren revolutioniert, gelang mit dem Unternehmen Additive Drives ein erfolgreicher und mit dem Sächsischen Gründerpreis prämierter Technologietransfer.

Gefördert wird das Gründerteam von JETPEP mit rund 1 Mio. EUR durch einen EXIST-Forschungstransfer Phase 1 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) am Lehrstuhl von Prof. Zeidler. Dieses Programm wurde explizit für herausragende forschungsbasierte Gründungsideen entwickelt. Nach einem mehrstufigen Bewerbungsverfahren mit abschließendem Pitch vor der Expertenjury in Berlin ermöglicht es dem Gründerteam, JETPEP bis zur Marktreife zu entwickeln und in Zusammenarbeit mit Pilotkunden als nächste Generation der selektiven Oberflächentechnik zu etablieren. Seit der ersten Idee ist auch das Gründernetzwerk SAXEED ein wichtiger Unterstützer. So wurde JETPEP mit dem Start des EXIST-Forschungstransfers Teil der SAXEED-Masterclass, dem Frühphaseninkubator des Gründernetzwerk an der TU Freiberg, und profitiert seitdem von der Kombination aus Coachingprogramm und regelmäßigen Pitches vor einer Expertenjury.

Quelle und Foto: Technische Universität Bergakademie Freiberg

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