Künstliche Intelligenz entwirft neue Werkstoffe

von Hubert Hunscheidt

In einer Welt, in der die jährlichen wirtschaftlichen Verluste durch Korrosion 2,5 Billionen US-Dollar übersteigen, ist die Suche nach korrosionsbeständigen Legierungen und Schutzschichten ungebrochen. Künstliche Intelligenz (KI) spielt bei der Entwicklung neuer Legierungen eine immer wichtigere Rolle. Doch die Prognosefähigkeit von KI-Modellen, die das Korrosionsverhalten vorhersagen und optimale Legierungsrezepturen vorschlagen können, ist noch nicht ausgereift. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung (MPIE) haben nun ein maschinell lernendes Modell entwickelt, das die Vorhersagegenauigkeit im Vergleich zu bestehenden Systemen um bis zu 15 Prozent erhöht. Das Modell erkennt neue, aber realistische korrosionsbeständige Legierungszusammensetzungen. Seine besondere Stärke liegt in der Kombination von numerischen und textuellen Daten. Ursprünglich für den kritischen Bereich der Lochfraßkorrosion in hochfesten Legierungen entwickelt, lässt sich die Vielseitigkeit des Modells auf alle Legierungseigenschaften ausweiten. Ihre neuesten Ergebnisse haben die Forscher in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.

Text und Zahlen verschmelzen

"Jede Legierung hat einzigartige Eigenschaften in Bezug auf ihre Korrosionsbeständigkeit. Diese Eigenschaften hängen nicht nur von der Legierungszusammensetzung ab, sondern auch vom Herstellungsprozess. Heutige maschinelle Lernmodelle können nur von numerischen Daten profitieren. Verarbeitungsmethoden und experimentelle Testprotokolle, die normalerweise durch textuelle Deskriptoren dokumentiert werden, sind jedoch entscheidend, um Korrosion zu erklären", erklärt Dr. Kasturi Narasimha Sasidhar, Erstautor der Veröffentlichung und ehemaliger Postdoktorand am MPIE. Das Forscherteam nutzte Sprachverarbeitungsmethoden wie ChatGPT in Kombination mit Techniken des maschinellen Lernens (ML) für numerische Daten und entwickelte einen vollautomatischen Rahmen für die Verarbeitung natürlicher Sprache. Die Einbeziehung von Textdaten in das ML-Framework ermöglicht auch die Identifizierung verbesserter Legierungszusammensetzungen, die gegen Lochfraß beständig sind. "Wir haben das Deep-Learning-Modell mit intrinsischen Daten trainiert, die Informationen über Korrosionseigenschaften und Zusammensetzung enthalten. Jetzt ist das Modell in der Lage, Legierungszusammensetzungen zu identifizieren, die für die Korrosionsbeständigkeit entscheidend sind, auch wenn die einzelnen Elemente ursprünglich nicht in das Modell eingegeben wurden", sagt Dr. Michael Rohwerder, Mitautor der Veröffentlichung und Leiter der Korrosionsgruppe am MPIE.

Grenzen überwinden: Automatisierte Datengewinnung und Bildverarbeitung

In dem kürzlich entwickelten Framework haben Sasidhar und sein Team manuell erfasste Daten als textuelle Deskriptoren verwendet. Ihr Ziel ist es nun, den Data-Mining-Prozess zu automatisieren und nahtlos in das bestehende System zu integrieren. Die Integration von Mikroskopbildern ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur nächsten Generation von KI-Systemen, die textuelle, numerische und bildbasierte Daten kombinieren.

Bildtext 1: Symbolisches Bild für den Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Korrosionsforschung.
Bildtext 2: (a) Schematische Darstellung des gesamten prozessorientierten tiefen neuronalen Netzmodells, (b) Schematische Darstellung des Datenverarbeitungs-Workflows, der innerhalb des Moduls für natürliche Sprachverarbeitungsmodul (NLP) durchgeführt wird. LSTM: Langes Kurzzeitgedächtnis. (Bild entnommen aus Wissenschaftliche Fortschritte, DOI: 10.1126/sciadv.adg7992.)

Quelle und Fotos: Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH

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