Schäden in Milliardenhöhe durch mikrobielle Eisenkorrosion (MIC)

von Hubert Hunscheidt

Diese bewirkt nach neuesten Schätzungen allein in Deutschland jährlich Schäden in Milliardenhöhe und bedroht vor allem die Stahl-Gründungen von Offshore-Windkraftanlagen. Bislang ist kein wirkungsvoller umweltverträglicher Schutz bekannt und Expert*innen erwarten, dass die globale Erwärmung die Schäden noch deutlich steigern wird.
Das BMWK fördert das Verbundprojekt „Mikrobielle Fe-Korrosion und mögliche Korrosionsschutzmaßnahmen im Monopile von Offshore-Windenergieanlagen (MiCorFe)“ mit mehr als 1.000.000 Euro.

Mikrobiell beeinflusste Eisenkorrosion im maritimen Industriesektor verursacht nach neuesten Schätzungen allein in Deutschland jährlich Schäden in Milliardenhöhe. Expert*innen erwarten, dass die Zahl solcher Schäden durch die globale Erwärmung noch deutlich zunehmen wird. Besonders betroffen sind Offshore-Windparks, und bislang ist kein wirkungsvoller und zugleich umweltverträglicher Schutz bekannt. Die Fachhochschule (FH) Kiel und das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel wollen mit Industriepartnern einen wirksamen Schutz gegen mikrobielle Eisenkorrosion im Offshore-Bereich entwickeln. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das auf drei Jahre ausgelegte Verbundprojekt „MiCorFe“ mit mehr als 1.000.000 Euro.

Mikrobiell beeinflusste Eisenkorrosion (kurz MIC, engl. Microbiologically Influenced Corrosion) ist in der maritimen Wirtschaft ein weit verbreitetes und bekanntes Problem. Sie betrifft insbesondere Gründungsstrukturen von Windkraftanlagen. Diese Gründungsstrukturen, auch Monopiles genannt, sind hohle zylindrische Pfähle aus Stahl, die in den Meeresboden gerammt werden. Das dabei im Monopile verbleibende Meerwasser steht nach der Gründung nur noch eingeschränkt im Austausch mit der Umgebung. Dieser Einschluss hat Folgen für die biochemische Zusammensetzung des Wassers: Durch mikrobielle Aktivitäten können sich im unteren Bereich sauerstofffreie Zonen ausdehnen und giftiger Schwefelwasserstoff entsteht. Dies sind ideale Bedingungen für säurebildende, sulfat- und metall-reduzierende Bakterien, die die Biokorrosion beschleunigen können. Ein probates Gegenmittel gibt es auf hoher See nicht: Trocknungsverfahren und regelmäßige mechanische Reinigungen sind nicht praktikabel, der Einsatz von Bioziden würde die Meeresfauna schädigen.

Beteiligte Mikroorganismen müssen identifiziert werden

Deswegen sucht das interdisziplinäre Projektteam „MiCorFe“ einen anderen Ansatz, erklärt Prof. Dr. Mirjam Perner. Die Geomikrobiologin vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel möchte die speziell an dieser Biokorrosion beteiligten Mikroorganismen identifizieren und neue, praktikable und umweltverträgliche Strategien für deren Hemmung entwickeln. „Mit dem Wissen um die geochemische Dynamik im Inneren eines Monopiles und über die Aktivitäten der an der MIC beteiligten Organismen können wir die Auswahl neuer Werkstoffmodifikationen und Beschichtungen unterstützen. Durch vergleichende Untersuchungen wollen wir Möglichkeiten zur Hemmung der MIC bewerten“, erläutert Perner.

Forschungsplattform vor Sylt dient als Reallabor

Für Untersuchungen unter realen Bedingungen nutzt das Forschungsteam die 80 Kilometer vor Sylt gelegene Forschungsplattform FINO3. Sie wurde 2009 als Monopile auf einer Wassertiefe von 22 Metern in feinem Sand gegründet. „Die Korrosions-Situation im Inneren des Monopiles ist bisher nahezu unbekannt, da keine Tauchgänge in seinem Inneren möglich sind“, erklärt Projektleiterin Prof. Dr.-Ing. Jana Schloesser von der FH Kiel. „Daher werden wir als erstes die Bedingungen vor Ort analysieren, indem wir Wasserproben in unterschiedlicher Tiefe nehmen, spezielle Sensorik nutzen und Korrosionsversuche im Inneren der Gründungsstruktur durchführen.“

Schloessers Hauptaugenmerk liegt auf der Korrosionsanalyse und möglichen elektrochemischen Schutzmaßnahmen wie Beschichtungen. Sie wird zunächst die Anfälligkeit des üblicherweise verwendeten Monopile-Stahls untersuchen. Hierfür nutzt sie Langzeitversuche mit Baustahl in verschiedenen Tiefenhorizonten innerhalb des Monopiles und unter simulierten Laborbedingungen. Darüber hinaus wird die Expertin für Werkstoffe und Oberflächen optimierte Stähle und unterschiedliche Beschichtungen erproben.

Interdisziplinarität als Erfolgsrezept

Die Prüfkörper stellt der Projektpartner Krebs Korrosionsschutz GmbH zur Verfügung. Das Unternehmen mit Sitz in Rostock bringt seine Erfahrung im Bereich des Korrosionsschutzes ein. Von der interdisziplinären Zusammenarbeit erhofft sich Entwicklungsingenieur Christian Niepel Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Beschichtungswerkstoffe und -methoden. „Die im Projekt gewonnenen Ergebnisse werden wir innerhalb der Abteilung ‚Forschung & Entwicklung‘ analysieren, interpretieren und in die laufende Produktion übertragen. Unser Ziel ist, die Lebensdauer von Monopiles zu verlängern und somit nachhaltigere Energie im Offshore-Bereich zu produzieren.“

Der vierte Projektpartner, die Jörss – Blunck – Ordemann GmbH (JBO), steuert seine Expertise in der Planung und Instandhaltung von Windenergieparks bei. Das Hamburger Planungs- und Ingenieurbüro verantwortet die rechnerische Simulation der Lebensdauer korrodierter Stähle, erklärt Gerrit Haake, Forschungs-und Entwicklungsleiter bei JBO. „Durch Lochfraß unter Beschichtungsschäden kann es zu einer Schwächung der Struktur und in der Folge zu Rissbildung kommen. Von der FH Kiel erhalten wir die genaue Geometrie der korrodierten Proben. Am PC berechnen wir damit den Rissfortschritt mit bruchmechanischen Rechenmodellen und wie sich die Korrosion auf die Lebensdauer auswirkt.“

„Eine Besonderheit unseres Konzepts“, betont Projektleiterin Schloesser, „ist die interdisziplinäre enge Zusammenarbeit von Mikrobiologinnen, Geochemikern, Materialwissenschaftlerinnen und Ingenieuren sowie deren unterschiedliche Expertisen. Ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, neue Beschichtungswerkstoffe und -methoden zu entwickeln, die die Betriebs- und Lebensdauer von Offshore-Windenenergieanlagen verlängern. Dadurch können zukünftig Ressourcen eingespart und die Stromversorgung nachhaltiger gestaltet werden.“

Bildtext (Vorschaubild): Drei Monate inkubierter Baustahl aus sechs Metern Wassertiefe innerhalb des Monopiles. Die inkubierten Proben weisen eine deutliche rötlich-braune Korrosionsschicht auf, die ausführlich vermessen, charakterisiert und mikrobiologisch untersucht wird.

Bildtext (Beitragsbild): Interdisziplinäre Forschungsgruppe "MiCorFe" beim ersten Projekttreffen an der FH Kiel.

Quelle: Fachhochschule Kiel und GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel / Fotos: GEOMAR und Josephine Brunn

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