Angewandte Geometrie: Das Gitter mit Spezialbegabung

Wien - Eine verblüffende Konstruktionsmethode für gekrümmte Strukturen wurde an der TU Wien entwickelt: Mit einem Handgriff werden flache Gitter zur 3D-Form. Die selbstentwickelten mathematischen Methoden probierte das Team der TU Wien auch in der Praxis aus: Die berechneten Gitter wurden aus Holz gebaut, zusammengeschraubt und aufgeklappt. Die entstehenden 3D-Formen wurden anschließend mit einem Laserscanner vermessen. So ließ sich beweisen, dass die entstandenen 3D-Strukturen tatsächlich ausgezeichnet mit den berechneten Formen übereinstimmen. Die Herstellung eines Mini-Pavillondaches hat gezeigt, dass diese Technik auch im Großen funktioniert.

Wie kann man etwas Flaches zu etwas Dreidimensionalem machen? In der Architektur und im Design spielt diese Frage oft eine wichtige Rolle. Ein Mathematik-Team der TU Wien präsentierte nun eine Technik, die dieses Problem erstaunlich einfach löst: Man wählt eine beliebige gekrümmte Fläche und kann aus ihrer Form ein flaches Gitter aus geraden Stäben berechnen, das sich mit einer einzigen Bewegung ausklappen lässt und die gewünschte Fläche approximiert. Dabei entsteht eine stabile Form, die unter mechanischer Spannung steht und sogar größere Lasten tragen kann.

Der Schritt in die dritte Dimension

Angenommen, man schraubt gewöhnliche gerade Stäbe rechtwinkelig zu einem Gitter zusammen, sodass ein völlig regelmäßiges Muster aus kleinen Quadraten entsteht. Ein solches Gitter kann man verzerren: Alle Winkel des Gitters ändern sich gleichzeitig, parallele Stäbe bleiben parallel, aus den Quadraten werden Parallelogramme. Das ändert aber nichts daran, dass sich alle Stäbe in derselben Ebene befinden. Die Struktur ist immer noch flach.

Die entscheidende Frage ist nun: Was passiert, wenn die Stäbe anfangs nicht parallel sind, sondern in unterschiedlichen Winkeln aneinandergefügt werden? „Ein solches Gitter lässt sich nicht mehr innerhalb der Ebene verzerren", erklärt Przemyslaw Musialski. „Wenn man es aufklappt, müssen sich die Stäbe biegen. Sie weichen in die dritte Dimension aus und ergeben eine gewölbte Form."

Am Institut für Diskrete Mathematik und Geometrie der TU Wien entwickelte Musialski mit seinem Team ein Verfahren, mit dem man berechnen kann, wie das flache, zweidimensionale Gitter aussehen muss, um im aufgeklappten Zustand genau die gewünschte dreidimensionale Form zu ergeben. „Unsere Methode basiert auf Erkenntnissen der Differentialgeometrie, sie ist relativ einfach und braucht keine aufwändigen Computersimulationen", sagt Stefan Pillwein, Erstautor der aktuellen Publikation, die auf der renommierten Konferenz SIGGRAPH präsentiert und im Fachjournal ACM Transactions on Graphics publiziert wurde.

Experimente mit dem Laserscanner

Die selbstentwickelten mathematischen Methoden probierte das Team der TU Wien dann auch in der Praxis aus: Die berechneten Gitter wurden aus Holz gebaut, zusammengeschraubt und aufgeklappt. Die entstehenden 3D-Formen wurden anschließend mit einem Laserscanner vermessen. So ließ sich beweisen, dass die entstandenen 3D-Strukturen tatsächlich ausgezeichnet mit den berechneten Formen übereinstimmen.

Nun wurde sogar ein Mini-Pavillondach hergestellt; in der Größe von 3,1 x 2,1 x 0,9 Metern. „Wir wollten wissen, ob diese Technik auch im Großen funktioniert – und das ist bestens gelungen", sagt Stefan Pillwein.

„Ein simples 2D-Gitter durch eine einzige Aufklappbewegung in eine 3D-Form zu verwandeln sieht nicht nur verblüffend aus, sie hat viele technische Vorteile", sagt Przemyslaw Musialski. „Solche Gitter sind einfach und günstig zu fabrizieren, sie können leicht transportiert und aufgebaut werden. Unsere Methode erlaubt, auch anspruchsvolle Formen zu erzeugen, nicht nur einfache Kuppeln."

Auch statisch haben die Strukturen sehr gute Eigenschaften: „Die gebogenen Elemente stehen unter Spannung und haben eine natürliche strukturelle Stabilität – in der Architektur bezeichnet man das als Active Bending", erklärt Musialski. Mit sehr dünnen Stäben können sehr große Distanzen überspannt werden. Für Architektur-Anwendungen ist das optimal.


Über ABA – Invest in Austria

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Quelle: ABA - Invest in Austria / Bilder: TU Wien  

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