Bundesrat lässt Reform des Insolvenzanfechtungsrechts passieren

Nachdem der Bundestag am 16. Fe­bru­ar 2017 die lan­ge dis­ku­tier­te Re­form des In­sol­venz­an­fech­tungs­rechts ver­ab­schie­det hat, ließ am vergangenen Freitag auch der Bundesrat das Gesetz passieren. Durch eine gläubigerfreundlichere Ausgestaltung der Insolvenzordnung sollen die Geschäftspartner und die Ar­beit­neh­mer von Unternehmen in der Krise bzw. der Insolvenz ent­las­tet werden. Aus Sicht der Vertragspartner wurden die Anfechtungsrisiken im Falle einer Unternehmensinsolvenz bisher oftmals als un­kal­ku­lier­bar und un­ver­hält­nis­mä­ßig empfunden(vgl. hierzu den Blog-Beitrag vom 5.10.2016). Dies soll durch die verabschiedeten Neuregelungen abgemildert werden. Allerdings führen einige For­mu­lie­run­gen zu einem neuen In­ter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum. Durch die Re­form ent­ste­hen da­mit durch­aus neue Un­si­cher­hei­ten im Rechts­ver­kehr im Zusammenhang mit der Insolvenzanfechtung. Letztlich hängt der Erfolg der Reform daher unter anderem von der Um­set­zung des ge­setz­ge­be­ri­schen Wil­lens durch die künftige Rechtsprechung des zuständigen BGH-Senats ab.

 

Wesentliche Änderungen durch die Reform

Mit der Re­form des Insolvenzanfechtungsrechtes werden ins­be­son­de­re der Tat­be­stand der vor­sätz­li­chen Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung (§ 133 In­sO), das Bar­ge­schäfts­pri­vi­leg (§ 142 In­sO) und die Ver­zin­sung des An­fech­tungs­an­spruchs (§ 143 In­sO) überarbeitet.

 

 a) Be­gren­zung des An­wen­dungs­be­reichs der Vor­satz­an­fech­tung

Kernziel der Gesetzesänderung war es, den An­wen­dungs­be­reich der Vor­satz­an­fech­tung, der mit der Indiziensystematik der Recht­spre­chung extensiv zu Lasten ausgelegt wurde, zeit­lich und in­halt­lich ein­zu­schrän­ken. Vor diesem Hintergrund wird die ma­xi­ma­le An­fech­tungs­frist für Fälle, in denen dem Anfechtungsgegner eine Sicherung oder Befriedigung gewährt wurde, von 10 Jah­re auf 4 Jah­re ver­kürzt. Soweit der Gläubiger ei­ne kon­gru­en­te Si­che­rung oder Be­frie­di­gung erhält, d.h. ei­ne Si­che­rung oder Be­frie­di­gung, die er in dieser Art und Wei­se auch be­an­spru­chen kann, wird des­sen Kennt­nis vom Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gungs­vor­satz des Schuld­ners nur noch dann ver­mu­tet, wenn er weiß, dass der Schuld­ner be­reits tatsächlich zah­lungs­un­fä­hig ist. Bis­her reichte die Kennt­nis der dro­hen­den Zah­lungs­un­fä­hig­keit hierfür aus. Wenn der An­fech­tungs­geg­ner und der Schuld­ner ei­ne Ra­ten-/Zah­lungs­ver­ein­ba­rung treffen, wird in Zu­kunft bei einer kon­gru­en­ten De­ckung darüber hinaus ver­mu­tet, dass der Gläubiger die Zah­lungs­un­fä­hig­keit des Schuld­ners zum Zeitpunkt der an­ge­foch­te­nen Hand­lung nicht kann­te.

 

 b) Konkretisierung des Bar­ge­schäfts­pri­vi­legs

Der An­wen­dungs­be­reich des Bargeschäftsprivilegs wird durch die Gesetzesre­form ge­schärft und er­wei­tert. Als zu­sätz­li­che Vor­aus­set­zung erfordert die An­fecht­bar­keit ei­nes Bar­ge­schäfts künftig die Kennt­nis des Gläubigers da­von, dass der Schuld­ner bei Vor­nah­me des Bar­ge­schäfts “un­lau­ter” han­del­te. Darüber hinaus wird klargestellt, wann im Rah­men des Bar­ge­schäfts von ei­nem un­mit­tel­ba­ren Leis­tungs­aus­tausch zwi­schen Schuld­ner und An­fech­tungs­geg­ner aus­zu­ge­hen ist. Der nö­ti­ge en­ge zeit­li­che Zu­sam­men­hang muss künftig un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Art der aus­ge­tausch­ten Leis­tung und der Ge­pflo­gen­hei­ten des Ge­schäfts­ver­kehrs be­ur­tei­lt werden. Zum Schutz der Arbeitnehmer ist darüber hinaus nun geregelt, dass für die Zah­lung von Ar­beits­ent­gelt ei­ne Zeit­span­ne von bis zu drei Mo­na­ten zwi­schen Ar­beits­leis­tung und Ent­gelt­zah­lung noch als en­ger zeit­li­cher Zu­sam­men­hang anzusehen ist. Zudem werden Arbeitnehmer auch vor einer Drittanfechtung geschützt, so­weit die betreffende Zah­lung durch den Dritten für sie als sol­che nicht er­kenn­bar war.

 

 c) Ver­zin­sung ab Ver­zug­s­ein­tritt

Die Ver­zin­sung des An­fech­tungs­an­spruchs wurde ebenfalls durch die Reform überarbeitet. Künftig tritt die Verzinsung nicht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens sondern erst mit dem Verzug des An­fech­tungs­geg­ners ein. Hierbei gilt im Gegensatz zu den übrigen Gesetzesänderungen, dass die Regelung be­reits für er­öff­ne­te In­sol­venz­ver­fah­ren Anwendung findet. Für die­se gilt sie al­ler­dings nicht rück­wir­kend, son­dern ab In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes. In laufenden Verfahren fal­len da­mit bis zum In­kraft­tre­ten der Gesetzesänderung un­ab­hän­gig von ei­nem Ver­zug des An­fech­tungs­geg­ners Zin­sen an, ab dem Da­tum des In­kraft­tre­tens des Ge­set­zes fallen Zinsen nur noch an so­fern sich der An­fech­tungs­geg­ner tatsächlich in Ver­zug be­fin­det.

 

Mit der Reform kann der Gesetzgeber die erheblichen An­fech­tungs­ri­si­ken ver­rin­gern. Zudem werden einige aus Sicht der Anfechtungsgegner nachteilige Regelungen abgemildert. Allerdings entstehen durch die Einführung neuer Begriffe und die Umkehrung der Vermutungsregel neue Auslegungsfragen und Herausforderungen bei der Vertragsgestaltung, dem Leistungsaustausch mit Unternehmen in der Krise und dem Insolvenzfall eines Vertragspartners.

 

Information zum Autor:

Andreas Hecker, LL.M. oec., Rechtsanwalt/Partner bei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Rechtsanwälte mbB

Herr Hecker berät Unternehmen und Unternehmensgruppen bei gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Fragen. Er veröffentlicht regelmäßig zu gesellschaftsrechtlichen Themen sowie zur Corporate Governance in ausgewählten Fachzeitschriften und Branchenmagazinen und wirkt an Gründerwettbewerben für Startups mit.

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