Zukunftsinstitut: Dieser Krieg beinhaltet Züge systemischer Asymmetrie

von Angelika Albrecht

Unter dem Titel "Future War: 8 Szenarios über den Ausgang eines unvorhersehbaren Krieges" ist das Team um Matthias Horx im Frankfurter Zukunftsinstitut den Fragen nachgegangen:

  • Wie wird der Ukraine-Krieg „ausgehen“?
  • Kann er überhaupt irgendwie „ausgehen“ – im Sinne eines Friedens, eines neuen Normalzustands?
  • Oder entsteht aus diesem schrecklichen Krieg ein endloser Negativ-Prozess, ein schleichender Dritter Weltkrieg, ein Strudel, in den immer mehr Stabilität hineingerissen wird?

Für die systemische Zukunftsforschung ist dieser Konflikt eine extrem harte Nuss, sagt Matthias Horx. Kriege wie dieser haben keinen klaren kausalen Anlass, an dem entlang sich Probabilitäten (Wahrscheinlichkeiten) messen lassen. Irrationalität, Paranoia, Interessen, gehäufte Zufälle, aber auch sogenannte Super-Meme (kulturelle Groß-Signaturen) spielen eine Rolle. Die kausalen Verzweigungen, die zu diesem „Event“ führten, reichen weit und tief in die Vergangenheit.

Kriege erzeugen zunächst negative Symmetrien, Kettenreaktionen, in denen Handlung auf Handlung, Eskalation auf Eskalation trifft, bis es zur Entropie, zur Zerstörung kommt, sagt die Studie. Auffällig an diesem Krieg sei allerdings, dass er Züge von systemischer Asymmetrie beinhalte. Indem „der Westen“ sich militärisch nicht voll engagiert, sondern vorsichtig agiert, wird der Aufschaukelungs-Prozess gedämpft. Es entsteht eine neue Logik, in der Diplomatie, öffentliche Meinung, informelle und wirtschaftliche Weltverflechtungen eine größere Rolle gegen die Logik der Konfrontation spielen könnten.

Der Krieg erzeugt Gegenreaktionen, zum Beispiel im Entstehen einer neuen Friedensbewegung und einer Vereinigung Europas. Das macht einerseits eine Prognose noch schwieriger (weil noch mehr Faktoren eine Rolle spielen). Andererseits könnte sich hier ein „Neues Spiel“, eine veränderte Grammatik der Konfliktbewältigung entwickeln, von dem wir für die Zukunft viel lernen können.

Für hyperkomplexe Geschehnisse wie den Ukraine-Krieg eignet sich die Technik der Szenarios besser als die der Prognosen. Szenarios sind „kontingente Erzählungen“, die einzelne Stränge von Wahrscheinlichkeiten bündeln, ohne sich auf einen Hauptpfad festzulegen. Sie bilden eine Art „Möglichkeitsschwarm“, der höhere Komplexitäten abzubilden versucht.

Es ist wichtig, zu verstehen, dass Szenarios keine Prognosen sind. Während Prognosen mit Ausschluss von Unsicherheit arbeiten (die Bayes-Methode), sind Szenarios Tools zum Umgang mit Unsicherheit. Prognosen verengen den Zukunftsweg. Szenarios öffnen verschiedene Möglichkeitsräume. Szenarios arbeiten narrativ – mit poetisch klingenden Namen – sie nutzen auch das Unbewusste, das in sprachlichen Konfigurationen angesprochen wird, zur Beurteilung hyperkomplexer Situationen.

Ebenso wenig verwechseln darf man Plausibilität mit Wahrscheinlichkeit. Das China-Szenario („Die Konfuzius-Lösung“) ist auf der systemischen Ebene hoch plausibel, es entspricht der Theorie des Neuen Realismus, die derzeit in strategischen Think Tanks hoch gehandelt wird. Dieses Modell von Weltkonflikten stammt ursprünglich von Kenneth Waltz, der bereits in den 50er-Jahren ein dynamisches Modell für Weltkonflikte entwickelte. Kriege und Konflikte entstehen in diesem Modell durch drei Faktoren:

  • Individuen (in diesem Falle Putin)
  • Verfasstheiten von Gesellschaften (Werte, Normen, Organisationsformen, „Kultur“)
  • internationale Beziehungen

Wenn es stimmt, dass wir auf eine neue globale Block-Konfrontation hinsteuern, in der es wieder um Einfluss-Sphären und imperiale Konflikte geht, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass China, als neuer Hegemon, versuchen würde, diese Machtordnung zu strukturieren. China spielt in der Ukraine die eigentliche Schlüsselrolle, weil die Möglichkeiten Putins, politisch zu überleben, direkt von China abhängen (und Chinas Perspektiven wiederum von den wirtschaftlichen Verflechtungen mit dem „Westen“).

Diese Szenarios sind mehrstufig, sie entfalten sich über mehrere Ebenen. Dabei wird sich nicht eines von ihnen vollständig realisieren. Die kommende Realität wird vielmehr aus einer Koppelung oder Mischung mehrerer Szenarios entstehen.

Lesen Sie den ausführlichen Text hier auf der Webseite des Zukunftsinstituts.

Über das Zukunftsinstitut

Das Zukunftsinstitut wurde 1998 gegründet und hat die Trend- und Zukunftsforschung in Deutschland von Anfang an maßgeblich geprägt. Heute gilt das Institut als einer der einflussreichsten Think Tanks der europäischen Trend- und Zukunftsforschung und ist die zentrale Informations- und Inspirationsquelle für alle Entscheider und Weiterdenker.

Die Frage, mit der wir uns täglich auseinandersetzen, ist einfach gestellt: Welche Veränderungen – welche Trends und Megatrends – prägen unsere Gegenwart und welche Rückschlüsse lassen sich daraus für die Zukunft von Gesellschaft, Unternehmen und Kultur schließen?

Quelle: Zukunftsinstitut GmbH   / Vorschaubild: Fotolia

Zurück