Zugang zu kritischen Materialien für die Stahl- und Windindustrie sicherstellen

von Hubert Hunscheidt

Die europäische Wind- und Stahlindustrie spielen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung der europäischen Clean-Tech-Wirtschaft. Das kommende EU-Gesetz über kritische Rohstoffe muss der strategischen Rolle dieser wichtigen Wertschöpfungskette Rechnung tragen. Es muss den Zugang zu allen kritischen Materialien für die Wind- und Stahlindustrie sicherstellen, einschließlich seltener Erden, Nickel, Mangan, Kupfer, Aluminium, Eisenschrott und Glasfasergewebe. Langfristig muss die EU die einheimischen Produktions- und Raffineriekapazitäten für diese Materialien ausbauen, Anreize für deren Kreislaufnutzung schaffen und innovative Lösungen fördern.

Die europäische Wind- und Stahlindustrie sind für die Wettbewerbsfähigkeit der dekarbonisierten europäischen Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Sie sind der Schlüssel zur direkten Elektrifizierung mit Strom aus erneuerbaren Energien, zur entstehenden sauberen Wasserstoffwirtschaft in Europa und zu vielen anderen sauberen Technologielösungen.

Die Windenergie wird in Europa zur wichtigsten Stromquelle werden und bis 2050 bis zu 50 % des gesamten Stromverbrauchs in der EU liefern. Stahl ist ein Hauptbestandteil in verschiedenen Anwendungen, die für die Energiewende von zentraler Bedeutung sind, nicht zuletzt in Windkraftanlagen.

Wind und Stahl sind eines der greifbarsten Beispiele für die Kreislaufwirtschaft bei der Dekarbonisierung: Die Stahlindustrie benötigt große Mengen an kohlenstofffreiem Strom, der insbesondere aus Windturbinen gewonnen wird, um grünen Stahl herzustellen. Die Nachfrage des Sektors nach fossilfreiem Strom wird bis 2030 auf 165 TWh pro Jahr ansteigen, von denen 93 TWh für die Wasserstoffproduktion verwendet werden.

Gleichzeitig machen Stahl, Eisen und Zement zusammen 90 % der Gesamtmasse moderner Windturbinen aus. Um ihren Kohlenstoff-Fußabdruck weiter zu verkleinern, strebt die Windindustrie den Übergang zu grünem Stahl an, wodurch diese Wertschöpfungskette vollständig zirkulär wird. Die Nachfrage nach grünem Stahl wird stark ansteigen: Eine moderne Onshore-Windturbine enthält etwa 120 Tonnen Stahl pro MW Leistung.

EU-Gesetz zu kritischen Rohstoffen muss Wind- und Stahlsektor stärken

Im März wird die Europäische Union ihr EU-Gesetz über kritische Rohstoffe (CRMA) vorlegen. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Energiesicherheit Europas und für den Erfolg des digitalen und grünen Wandels in Europa. Der CRMA muss die Abhängigkeit Europas von einer Handvoll Exportländer durchbrechen. Nur gleiche Wettbewerbsbedingungen beim Zugang zu kritischen Rohstoffen können die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie sichern und die Verlagerung von CO2-Emissionen verhindern.

Die russische Invasion in der Ukraine und die anhaltende Energiekrise haben die Gefahren einer übermäßigen Abhängigkeit von einem einzigen Handelspartner schmerzhaft vor Augen geführt. Europa darf diesen Fehler bei der Versorgung mit kritischen Rohstoffen nicht wiederholen. Heute ist Europa bei der Versorgung mit diesen Rohstoffen zu sehr von Drittländern, insbesondere aus Asien, abhängig. So kommen beispielsweise fast alle seltenen Erden und Kernmaterialien für Glasfasern aus China, während Indonesien - das führende Nickelerzproduktionsland - seit langem Ausfuhrbeschränkungen eingeführt hat, insbesondere ein vollständiges Verbot ab Januar 2020.

Auch Eisenschrott ist ein knappes Gut. Trotz seiner entscheidenden Bedeutung für eine erfolgreiche Dekarbonisierung des Stahlsektors und seiner Wertschöpfungskette ist Schrott der am häufigsten aus der EU in Drittländer ausgeführte Abfallstrom (59 % im Jahr 2021, laut Eurostat). Außerdem haben die meisten Bestimmungsländer keine Umwelt- und Sozialstandards, die den europäischen entsprechen. Diese paradoxe Situation birgt die Gefahr, dass sowohl die strategische Autonomie Europas als auch seine Klimaziele in Frage gestellt werden.

Kurzfristig muss die CRMA den Zugang zu allen kritischen Materialien, die in Windturbinen und in der Stahlproduktion verwendet werden, sicherstellen: nicht nur zu Rohstoffen wie seltenen Erden, Nickel, Mangan, Kupfer und Aluminium, sondern auch zu Sekundärmaterialien wie Eisenschrott, Glas- und Kohlenstofffasern.

Langfristig muss die EU die heimischen Produktions- und Verarbeitungskapazitäten für wichtige Materialien in Europa ausbauen. Dazu gehört auch eine öffentliche finanzielle Unterstützung für notwendige private Investitionen - zum Beispiel über den neuen Europäischen Souveränitätsfonds oder die Finanzierung wichtiger Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI). Gleichzeitig muss die EU die Wiederverwertbarkeit und Kreislauffähigkeit dieser Materialien verbessern und innovative Lösungen fördern.

Kommissionspräsidentin von der Leyen will dafür sorgen, dass "die Geschichte der Clean-Tech-Wirtschaft in Europa geschrieben wird". Die europäische Wind- und Stahlindustrie steht bereit, diese Erfolgsgeschichte fortzuschreiben - mit Investitionen in neue Produktionskapazitäten, Forschung, Innovation und Kreislaufwirtschaft. Beide Sektoren sind jedoch auf eine ausreichende, zuverlässige und erschwingliche Versorgung mit wichtigen Materialien angewiesen.

Quelle: Eurofer / Foto: Fotolia

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