Teil-Lockdown stoppt Erholung im Winterhalbjahr 2020/2021

von Hubert Hunscheidt

Nach der noch stärker als erwarteten Erholung in den Sommermonaten werden die aufgrund der hohen Infektionszahlen seit Oktober eingeleiteten neuen Einschränkungen sowie der Teil-Lockdown seit November die Wirtschaft im Jahresschlussquartal bremsen. Die vom HWWI zuvor erwartete moderate V-Erholung, die allerdings unter dem Vorbehalt keiner zweiten Welle stand, wird nun im Winterhalbjahr ins Stocken geraten. Für 2020 bedeutet das gleichwohl unverändert einen Rückgang der gesamten Wirtschaftsleistung um 5 %, für 2021 dann ein Wachstum von 4 %, und für 2022 von 2 1/2 %. Die nicht zuletzt wegen der bis Ende 2020 geltenden Mehrwertsteuersenkung aktuell sehr niedrige Preisentwicklung wird Anfang 2021 aber wieder „anspringen“. Die Kurzarbeiterregelung hat die Arbeitslosigkeit recht niedrig gehalten, mit einem Anstieg ist aber in den kommenden Monaten erst einmal zu rechnen.

Im Detail

Seit Herbstbeginn ist eine zweite Corona-Welle im Gange; die Infektionszahlen der letzten Wochen sind erheblich gestiegen. Die Einschränkungen seit Oktober und der erneute Teil-Lockdown seit November haben die wirtschaftliche Erholung nach dem Lockdown im Frühjahr erst einmal gestoppt. Nach dem massiven Einbruch im Frühsommer hatte sich die deutsche Wirtschaft zunächst wieder deutlich erholt. Im dritten Quartal ist das reale Bruttoinlandsprodukt saisonbereinigt um 8 1/2 % gestiegen, nach Rückgängen von 2 und fast 10 % in den ersten beiden Quartalen (jeweils gegenüber dem Vorquartal). Das seit Herbstanfang wieder dynamische Infektionsgeschehen hat jedoch mehr und mehr Beschränkungen nach sich gezogen und seit Anfang November einen Teil-Lockdown, die das Wirtschaftsgeschehen erneut behindern, in einigen Wirtschaftsbereichen sehr massiv. Zudem müssen einige Erwerbstätige in Quarantäne, was auch die Wirtschaftstätigkeit in anderen Bereichen teils einschränkt. Nicht zuletzt wirkt sich das wieder verstärkte Pandemiegeschehen auch auf die Konsum- und auf die Investitionsneigung dämpfend aus. Da fast die ganze Welt und unsere europäischen Handelspartner zumeist noch stärker als wir mit der Epidemie kämpfen, wird auch der Außenhandel und damit die deutsche Exportwirtschaft nach zwischenzeitlicher Besserung wieder in Mitleidenschaft gezogen.

In den nächsten Monaten, wenn die Zahl der Infektionen voraussichtlich hoch bleibt und umfangreiche Beschränkungen fortbestehen, wird der Erholungsprozess stocken. Die gesamte Wirtschaftstätigkeit dürfte im Winterhalbjahr kaum mehr zunehmen, zeitweilig sogar wieder etwas zurückgehen. Die durch die hohen Infektionszahlen bedingten Einschränkungen treffen zum einen vor allem jene Wirtschaftsbereiche, die schon unter der ersten Welle litten, sodass es hier vermehrt zu Insolvenzen kommen wird. Zum anderen werden Betriebe, die die Situation bislang mit Kurzarbeit überbrückten, in zunehmendem Maße auch Entlassungen vornehmen; die Zahl der Arbeitslosen wird in den nächsten Monaten folglich merklich zunehmen. Nach dem starken Aufholprozess im dritten Quartal dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal dieses Jahres allenfalls stagnieren, im Jahresdurchschnitt 2020 wird es um 5 % niedriger als im Vorjahr sein.

Erst im Frühsommer 2021, wenn nach den bisherigen Erfahrungen die Zahl der Infektionen wieder zurückgeht und voraussichtlich ein Impfstoff verbreitet verfügbar sein wird, wird sich mit Rücknahme der Einschränkungen der Erholungsprozess der Wirtschaft fortsetzen. Die Inlandsnachfrage und wohl auch die Auslandsnachfrage – die meisten Handelspartnerländer sind in ähnlicher Situation – werden sich dann wieder festigen. Dabei wird dann auch einiges an Konsum und Investitionen nachgeholt, die kurzfristigen Wachstumsraten (von Quartal zu Quartal) werden also gegenüber dem Winterhalbjahr wieder deutlich höher ausfallen. Die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate 2021 wird wegen des aufgrund der durch die zweite Corona-Welle verzögerten Erholung etwas niedrigeren Ausgangsniveaus (Überhang) zur Jahreswende 2020/2021 aber mit 4 % etwas niedriger sein als in den vorangegangenen Prognosen angenommen. Die Situation am Arbeitsmarkt wird sich im Jahresverlauf wieder verbessern, die Zahl der Arbeitslosen aber im Jahresdurchschnitt noch höher sein als 2020. Die Inflationsrate wird nach Auslaufen der Mehrwertsteuerreduzierung zum Jahresende 2020 zu Beginn kommenden Jahres wieder deutlicher ansteigen, aber nicht die 2-Prozent-Marke überschreiten.

Im Jahr 2022 sollte eine Rückkehr zur „Normalität“, und damit auf den potenziellen Wachstumspfad, möglich sein. Davon werden vor allem jene Branchen profitieren, die besonders unter den Corona-bedingten Einschränkungen litten, wie Gastronomie, Hotellerie, Tourismus, Veranstaltungsbranche u. ä. Zudem dürfte sich auch die Weltwirtschaft und damit der Welthandel nachhaltig erholen. Und damit werden auch die Unternehmen ihre Investitionen wieder merklich ausweiten, zumal sie aufgeschobene Investitionen nachholen werden. Dank eines zudem erheblichen „Überhangs“ aus dem Jahr 2021 wird die gesamtwirtschaftliche Leistung 2022 um 2 1/2 % zunehmen. Die Lage am Arbeitsmarkt dürfte sich weiter entspannen. Der Anstieg der Verbraucherpreise bleibt in der Grundtendenz moderat.

Wie schon seit geraumer Zeit stehen die Vorausschätzungen weiterhin unter der Prämisse, dass es nicht zu abermaligen Rückschlägen in der Corona-Entwicklung kommt, mit entsprechenden negativen ökonomischen Rückwirkungen. Zusätzliche Einschränkungen in den kommenden Wintermonaten können nicht ausgeschlossen werden. Auch zeichnet sich ein harter Brexit ab. Bei sich wiederbelebender Weltwirtschaft sollte dieser allerdings insgesamt nur zu marginalen Handelseinbußen führen. Unter diesen Bedingungen wird die deutsche Wirtschaft dann 2022 wieder das Vor-Corona-Niveau erreichen. Gleichwohl bedeutet das gegenüber einer möglichen Entwicklung ohne Corona einen gewissen Wachstumsverlust, zumal sich durch die schwache Investitionsentwicklung während der Corona-Krise auch der Potenzialpfad abgeflacht hat. Als mittelfristige Folge der Pandemie könnten sich die Investitionsbedingungen für Unternehmen und auch den Staat verschlechtert, der Investitionsbedarf jedoch erhöht haben.

Quelle: Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut gemeinnützige GmbH (HWWI) / Foto: marketSTEEL

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