Stahlpreise: Blechumformer sehen Lieferkette in Gefahr

von Alexander Kirschbaum

Der Stahlpreis ist in den vergangenen Monaten weltweit stark angestiegen. Was Stahlhersteller freut, wird für die blechumformende Industrie zu einem Problem. „Kunden der Zulieferer – Automobilhersteller, Systemlieferanten und andere Beteiligte der Supply Chain – müssen sich jetzt verhandlungsbereit zeigen“, sagt Bernhard Jacobs, Geschäftsführer des Industrieverbandes Blechumformung (IBU). „Sonst bricht die Lieferkette kurzfristig zusammen.“

Das Flachstahl-Referenzprodukt Warmbreitband (Hot Rolled Coil) hat sich dem Verband zufolge in den Grundpreisen um bis zu 80 Prozent verteuert. Kauft ein mittelständisches Zulieferunternehmen beispielsweise 7.000 Tonnen warmgewalzte Bleche, entstehen Mehrkosten von über 1,8 Millionen Euro.

IBU: Anti-Dumping-Kampagne sorgt für Verknappung

Preistreiber ist für den Industrieverband Blechumformung, neben den gestiegenen Rohstoffkosten für Eisenerz und Koks, die Anti-Dumping-Kampagne der Stahlindustrie. Sie betreffe den gesamten Flachstahlmarkt der EU und erzeuge eine historisch einmalige, verknappte Marktsituation. „Wenn weitere Einfuhrzölle kommen, schaltet das den Importwettbewerb weitgehend aus. Das im Dezember 2016 eingeleitete Verfahren gegen die Einfuhr beschichteter Bleche aus China hat die Lieferzeiten der EU-Hersteller bereits stark verlängert", so Jacobs. Mit der Forderung nach Zöllen geht der Geschäftsführer des Industrieverbands Blechumformung hart ins Gericht. "Bei dem protektionistischen Weg der EU-Kommission, auf Druck der Stahlindustrie, scheint es längst nicht mehr um fairen Wettbewerb zu gehen. Sondern um Marktabschottung. Den Preis dafür zahlen Stahlverarbeiter und Endkunden.“

Eine ganz andere Sicht auf das Thema hat Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Auf der 21. Handelsblatt Jahrestagung Stahlmarkt 2017 im vergangenen Monat forderte der Verbandschef vehement politische Weichenstellungen, um das europäische Handelsschutzinstru­mentarium zu stärken. „Die Stahlindustrie in Deutschland setzt sich für offene Märkte ein“, sagte Kerkhoff. Importzölle für Stahl seien in der EU schon vor vielen Jahren abgeschafft worden. Im aktuellen Umfeld werde es aber zunehmend wichtiger, sich auch gegen unfaire Verhaltensweisen zur Wehr setzen zu können. Dabei dürften Handelsschutzmaß­nahmen wie Antidumping allerdings nicht mit Protektionismus verwechselt werden. Bei ersteren gehe es nicht darum, der eigenen Industrie einen künstlichen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, sondern vielmehr Verzerrungen im internationalen Wettbewerb so weit wie möglich auszugleichen.

Dieser Logik schließt sich der Industrieverband Blechumformung allerdings nicht an und will das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) schriftlich auffordern, weiteren Schutzzöllen zu widersprechen. „EU-Zölle können nur mit Zustimmung der Mitgliedsstaaten beschlossen werden. Für uns ist entscheidend, dass sich das BMWi eindeutig positioniert.“

Preisrückschlag in China möglich

Für den Leverkusener Stahlmarkt-Berater Andreas Schneider ist es wahrscheinlich, dass die Stahlpreise in China in diesem Jahr noch deutlich fallen. "Wenn es so käme, stünde auch der europäische Stahlmarkt vor einer echten Belastungsprobe. Es wird sich nämlich erst in einem Umfeld sinkender Weltmarktpreise für Stahl und Eisenerz zeigen, wie gut die als Schutzschirm aufgestellten Anti-Dumping-Zölle der EU tatsächlich wirken. In den vergangenen Monaten herrschte bei den Preisen am Weltmarkt für Stahl dank des chinesischen Höhenfluges ein eher laues Lüftchen. Nur wenn dieses zum Sturm wird, kann sich auch hierzulande zeigen, wie stark das Stahlpreis-Fundament tatsächlich ist", so der Experte in einem Beitrag.

Quelle: Industrieverband Blechumformung, Wirtschaftsvereinigung Stahl  Bildtext: Blechumformteile (Foto: IBU)

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