Ölpreise könnten sehr viel tiefer fallen

von Hans Diederichs

Anfang Februar verzeichnete der Ölpreis einen langjährigen Tiefststand. Die US-Sorte WTI war für kaum mehr als 27 US-Dollar je Barrel (159 Liter) zu haben. Seitdem hat der Ölpreis rund 50 Prozent an Boden gutgemacht, am Montag notierte das Barrel WTI nach anfänglicher Schwächephase bei rund 41 US-Dollar. Das ist auch für andere Rohstoffe von Bedeutung, da das Öl in den Warenterminmärkten die Rolle eines Schrittmachers einnimmt.

Ist also Aufatmen angesagt? Die Experten bleiben skeptisch. Ende vergangener Woche hieß es, die Förderaktivität in den USA habe zugelegt. Es handelte sich dabei um exakt eine zusätzliche Ölpumpe im Vergleich zur Vorwoche — die Zahl der aktiven Bohrlöcher stieg von 386 auf 387, nachdem die Anzahl 12 Wochen lang kontinuierlich gefallen war. Das reichte aber schon, damit der Ölpreis am Montag ins Zittern geriet. In so einem nervösen Markt sind Vorhersagen naturgemäß nur schwer möglich.

Drei Gründe für einen Ölpreisabsturz

Energiemarktexperten nennen aber zurzeit drei wesentliche Faktoren, die einen erneuten scharfen Preisrückgang wahrscheinlich machen.

1. Der jüngste Preisauftrieb war vor allem ein technischer Effekt

Die meisten Ölförderer hoffen darauf, dass sich die Ölnachfrage Ende 2016 oder Anfang 2017 nachhaltig erholt. Je näher man dem Zeitpunkt der erwarteten Erholung kommt, desto mehr schmilzt der Abstand zwischen dem Kassakurs (Spot-Preis) und dem Terminmarktpreis für Öl (das sogenannte Contango). Das ist ein technischer Effekt des Terminmarkts, der damit zu tun hat, dass Finanzierungs- und Lagerkosten implizit im Terminpreis enthalten sind. "Der Ölpreis könnte falsch sein, aber er ist nicht irrational", sagte Reuters-Rohstoffanalyst John Kemp in einem Beitrag für Arab News. Wenn sich die Hoffnungen auf einen Abbau des weltweiten Überangebots zerschlagen, könnten sich die Spot-Preise sehr schnell an die neue Realität anpassen.

2. Die großen Ölförderer drosseln ihre Produktion nicht

Russland und Saudi-Arabien haben zuletzt davon gesprochen, dass sie ihre Produktion einfrieren wollen. Das hat zur vorübergehenden Preisstabilisierung beigetragen und den beiden Ölexporteuren Zusatzgewinne beschert. Es ändert aber nichts am bestehenden Überangebot. Wenn auf der nächsten OPEC-Runde in Doha (Katar) keine massive Drosselung beschlossen wird, ist der Markt weiter überversorgt. Nach einer Drosselung sieht es aber derzeit nicht aus. Der Iran will seine Förderung sogar ausweiten.

3. Die Öllager sind fast voll

Zwischen 2010 und 2014 lagerten in US-Rohölkavernen im Schnitt rund 300 bis 350 Millionen Barrel. Vergangenes Jahr um diese Zeit waren es schon 450 Millionen Barrel. Und die letzte Zählung vergangene Woche ergab über 523 Millionen Barrel — der US-Rohölbedarf für rund einen Monat. Die Öllager in den USA sind zu 88 Prozent gefüllt, ab 80 Prozent Auslastung sind dramatische Preiseinbrüche die Regel. Hinzu kommt: Stiege der Ölpreis weiter, würden auch jene Fracking-Produzenten in den USA ihre Produktion wieder hochfahren, die im Moment nicht profitabel arbeiten können. Das Überangebot würde sich noch weiter erhöhen.

Bereits im Januar sagte Vagit Alekperov, Chef des russischen Ölkonzerns Lukoil, dass der Ölpreis das ganze Jahr unbeständig sein dürfte, ein Absinken unter 25 US-Dollar je Barrel aber wahrscheinlich sei. Da stand der Ölpreis noch etwas höher, als er es heute tut. 

Quelle: marketSTEEL; Vorschau-Foto: fotolia

Korrektur am 24.03. um 11:40 zum US-Rohölbedarf

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