IW zu Green Deal, Grenzausgleichsmechanismus und US-Zöllen

von Angelika Albrecht

Das Institut der deutschen Wirtschaft hat im Auftrag des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung ein Gutachten erstellt mit dem Titel "Wertschöpfungskette Stahl: Auswirkungen des geplanten Grenzausgleichsmechanismus auf die nachgelagerten Branchen", das auch auf der Webseite des IW zum Download bereitsteht. Hier eine Kurzfassung der Studie:

Die Europäische Kommission hat mit ihrem Green Deal der Klimapolitik höchste Priorität eingeräumt. Im Juli 2021 hat sie dies mit einem politischen Maßnahmenpaket „Fit-for-55” hinterlegt, denn die Treibhausgasemissionen sollen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 sinken.

Zu diesem Paket gehört eine schnellere Begrenzung der zulässigen Emissionen von Industrie und Energiewirtschaft im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS). Zusätzlich soll die bisher geltende kostenfreie Zuteilung von Emissionszertifikaten an besonders energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, schrittweise wegfallen und stattdessen ein Grenzausgleichsmechanismus eingeführt werden. Bisher sorgt die freie Zuteilung dafür, dass die betroffenen Unternehmen an europäischen Standorten keine höheren Kosten zu schultern haben als außerhalb der Europäischen Union (EU) und deshalb nicht aufgrund der strengeren europäischen Klimapolitik ihre Produktion und die damit verbundenen Emissionen an andere Standorte verlagern. Zukünftig soll der Grenzausgleichsmechanismus dafür sorgen, dass Importe von ausgewählten Grundstoffen zertifikatspflichtig werden und so für europäische Produkte und Importe der gleiche CO2-Preis zu zahlen ist.

Für die Kunden der Stahl-, Aluminium- und weiteren Grundstoffproduzenten bedeutet das vor allem höhere Preise. Das belegt die Einführung von Zöllen in den USA, die in den letzten 20 Jahren bereits zweimal dafür gesorgt hat, dass die Preise für Stahl und Aluminium dort deutlich angestiegen sind, während sich weltweit nur ein leichter Preisanstieg gezeigt hat. Durch die Einführung der US-Zölle konnten zwar Arbeitsplätze in der Stahlindustrie erhalten werden, in den nachgelagerten stahlverarbeitenden Branchen gingen jedoch 2002 bis zu 200.000 und 2018 nach ersten Schätzungen etwa 75.000 Arbeitsplätze verloren.

Höhere Stahlpreise betreffen zahlreiche Kundenbranchen, allen voran die Metallverarbeitung, die Hersteller elektrischer Ausrüstungen sowie Maschinen- und Fahrzeugbau. Die zehn am stärksten davon betroffenen Branchen stehen für ein Fünftel der Wirtschaftsleistung und ein Sechstel der Beschäftigung in Deutschland. Auf europäischer Ebene erwirtschaften diese zehn Branchen fast zwei Billionen Euro Wertschöpfung und damit rund ein Sechstel der gesamten Wirtschaftsleistung. In diesen Branchen sind EU-weit mehr als 30 Millionen Erwerbstätige beschäftigt, was einem Anteil von fast 15 Prozent der Beschäftigten in der EU entspricht.

Stahlverarbeitende Unternehmen konkurrieren nicht nur innerhalb Europas mit außereuropäischen Herstellern von verarbeiteten Produkten. Sie produzieren auch bis zur Hälfte ihrer Produkte für Märkte außerhalb Europas. Viele davon sind kleine und mittelständische Unternehmen, die höhere Preise angesichts wachsender internationaler Konkurrenz nicht an ihre Kunden weitergeben können. Wenn der CO2-Preis auf Stahl dank Grenzausgleich und Wegfall der kostenfreien Zuteilung voll durchschlägt, würden sich die Kosten der metallverarbeitenden Unternehmen in Deutschland um zwei Milliarden Euro und damit etwa 3,5 Prozent der Wertschöpfung erhöhen.

Der Grenzausgleichsmechanismus ist in der von der Europäischen Kommission geplanten Ausgestaltung demnach nicht dazu geeignet den bisher geltenden Schutz vor Carbon Leakage Risiken aufrechtzuerhalten. Gerade für die nachgelagerten Industrien erhöht sich dadurch vielmehr die Wahrscheinlichkeit für Verlagerungen. Denn auf Unternehmen, die in Europa Stahl und andere Grundstoffe weiterverarbeiten, kommen höhere Kosten zu, die ihre außereuropäischen Konkurrenten nicht in gleichem Maße schultern müssen.

Zur IW-Studie Wertschöpfungskette Stahl

Quelle und Vorschaubild: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. (IW)

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