Ingenieurmodell, um Haltbarkeit für geschweißte Stahlkonstruktionen einzuschätzen

von Hubert Hunscheidt

Der Bausektor spielt eine entscheidende Rolle auf der Nachhaltigkeitsagenda. Die Verlängerung der Lebensdauer von Windenergieanlagen, Brücken und anderen Bauwerken sowie ressourcenschonendere Konstruktionen sind derzeit die größten Herausforderungen im Bauwesen und Maschinenbau. HM-Forschende entwickeln dazu ein Ingenieurmodell, durch das sich die Haltbarkeit für geschweißte Stahlkonstruktionen besser einschätzen lässt.

München, 15. Juni 2022 – Der ressourcenschonende Stahlbau bringt Lösungen für die drängenden Probleme unserer Zeit. Im Zuge der Energiewende werden zum Beispiel erneuerbaren Energien stark ausgebaut. In Deutschland sind aktuell rund 30.000 Windenergieanlagen im Einsatz. Zentral für ihre Wirtschaftlichkeit: die Haltbarkeit. Stahlkonstruktionen von Windenergieanlagen, Brücken oder großen Maschinen werden unter anderem durch starke Winde oder große Lasten beansprucht. Dies führt zur Werkstoffermüdung und somit zu Rissen und Brüchen an deren Schweißnähten.

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit im Fokus

Das Forschungsprojekt MOBEKO hat das Ziel, die Lebensdauer von Bauwerken zu verlängern und Konstruktionen ressourcenschonender zu erstellen. Ein HM-Forschungsteam um Prof. Dr. Imke Engelhardt, Leiterin des Labors für Stahl- und Leichtmetallbau, und Richard Schiller vom Institut für Material- und Bauforschung der HM entwickeln einen „Modifizierten Betriebsfestigkeitsnachweis von unbehandelten und HFH-nachbehandelten Schweißkonstruktionen unter Berücksichtigung von Kollektivform, Spannungsverhältnis und Kerbdetail“ (MOBEKO).

Längere Haltbarkeit durch Nachbehandlung

Maßgebend für die Ermüdungsfestigkeit von Stahlbaukonstruktionen sind die Qualität der Schweißnähte und eventuelle Unregelmäßigkeiten der Nahtübergänge. In ausführlichen Versuchsreihen ermitteln die Forschenden die Einflüsse von Nachbehandlungen der Schweißnähte auf die Lebensdauer der Bauteile. Besonders interessant sind die HFH-Verfahren, sogenannte höherfrequente Hämmerverfahren, die händisch angewendet werden. Mit einem Gerät in der Größe eines Bohrers, das einen gehärteten Stift hat und mit einer Frequenz von 150 bis 200 Hz angeregt wird, verformen Arbeiter die Schweißnahtübergänge plastisch. Dies verbessert die Nahtgeometrie und verfestigt die Randschicht und ist dadurch länger haltbar. Weitere Qualitätssicherung ist durch eine visuelle Kontrolle möglich. Engelhardt sagt dazu: „Bislang ist nicht geklärt, wie sich die Wirkung von Nachbehandlungen in einem verlässlichen Betriebsfestigkeitsnachweis rechnerisch ansetzen lässt.“

Bessere Lebensdauerabschätzung am Beispiel Windenergieanlagen

Bei Offshore-Windenergieanlagen kommen zusätzlich zu den Windlasten auf den Rotoren noch Belastungen der gesamten Konstruktion durch Wellen hinzu. Engelhardt erläutert: „Wenn wir mit unseren Forschungen zum Beispiel erreichen können, dass die Wandstärken der Offshore-Gründungsstrukturen von 100 mm auf 80 mm reduziert werden können, dann sparen wir bei jeder Anlage viele Tonnen Stahl ein.“

Das Institut für Material- und Bauforschung (IMB) wurde im Juli 2019 an der Hochschule München gegründet und integriert die Fakultäten Architektur, Bauingenieurwesen und Maschinenbau. Der Fokus liegt dabei auf der langfristigen Erhaltung und nachhaltigen Entwicklung des Bau- und Infrastrukturbestands. Forschungsthemen umfassen unter anderem die Lebensdauer von Materialien, Konstruktionen und Bauwerken, Ressourceneffizienz und Lebenszyklusbetrachtungen sowie Zuverlässigkeit und Sicherheit.

Das Projekt MOBEKO wird gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und läuft bis zum 30. September 2022.

Quelle und Foto: Hochschule München

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