Industriemetalle: Wo bleibt die Post-Corona-Rallye?
von Angelika Albrecht
Die Industriemetallmärkte haben ein holpriges erstes Quartal hinter sich gebracht. Die anfängliche Euphorie nach der Aufhebung der Corona-Beschränkungen durch die Regierung in China wich recht schnell Unsicherheit hinsichtlich des Ausmaßes einer Konjunkturerholung im Reich der Mitte. Vergangenen Monat waren es dann die Turbulenzen an den globalen Finanzmärkten, die den Preisen zusetzten. Mittlerweile hat der Index der Londoner Metallbörse (LMEX) seine Verluste vom März wieder wettgemacht, so dass er seit Jahresanfang zumindest ein kleines Plus verzeichnen kann.
Wie geht es für die Industriemetalle nun aber weiter?
Für dieses Jahr bleibt die Commerzbank bei ihrer Einschätzung, dass die Metallpreise aufgrund einer anziehenden Wirtschaftsaktivität in China Erholungspotenzial haben. Zwar signalisieren die Stimmungsindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes einen kräftigen Aufschwung, insbesondere in den Sektoren außerhalb des verarbeitenden Gewerbes, worunter auch die für die meisten Metalle wichtige Baubranche fällt. Dagegen scheint der Industriesektor auch vier Monate nach Beendigung der Null-Covid-Strategie seitens Peking nur langsam Fuß zu fassen.
Neben Neujahrseffekten dürfte dies auch an einer sich abschwächenden Außennachfrage liegen, die von den deutlich gestiegenen Zinsen in den USA und dem Euroraum Gegenwind erfährt. Dieser dürfte sich in den kommenden Monaten sogar verstärken. Denn die Volkswirte der Commerzbank gehen davon aus, dass sowohl die US-Notenbank als auch die EZB ihre Zinsen zunächst noch weiter erhöhen, wenn auch nur noch moderat. In den Sommermonaten bzw. in der zweiten Jahreshälfte droht eine Konjunkturdelle. Allerdings sollte diese 1) nicht so stark ausfallen, dass sie die Erholung in China gefährdet, welche in erster Linie durch den heimischen Konsum getrieben werden dürfte und 2) den positiven Nachfrageeffekt aus China bestenfalls abmildern, nicht jedoch aufheben, da China der weit wichtigere Absatzmarkt ist, mit Anteilen an der globalen Nachfrage von und in manchen Fällen (z.B. Aluminium) sogar deutlich mehr als 50%. Darüber hinaus dürften sich auch die weiterhin niedrigen LME-Lagerbestände als wichtige Preisstütze erweisen. Zwar scheint der kontinuierliche Lagerabbau zuletzt zu einem Ende gekommen zu sein. Insgesamt liegen die Bestände jedoch noch weiter deutlich unter den durchschnittlichen Niveaus der letzten zwei Dekaden.
Allerdings: Dieser Aufschwung dürfte sich von früheren unterscheiden, was Implikationen für das Ausmaß einer Preiserholung wie auch der relativen Performance der Industriemetalle untereinander hat. So gehen die Rohstoffanalysen davon aus, dass die Konjunkturerholung dieses Jahr in erster Linie durch den Dienstleistungssektor getragen wird, da dieser weit stärker unter den strikten Corona-Beschränkungen im vergangenen Jahr gelitten hat als der Industriesektor, womit hier der Nachholeffekt größer ausfallen sollte.
Dies bedeutet, dass die Nachfrage nach Industriemetallen vermutlich nicht so stark ausfallen wird wie etwa im Jahr 2020 als China nach der ersten Corona-Welle die Corona-Regelungen erstmalig wieder gelockert hatte (siehe Chart 1). Denn einerseits war damals der Betrieb in den Fabriken von Lockdowns weit stärker betroffen als letztes Jahr, so dass es hier einen erheblichen Nachholbedarf gab. Und andererseits wurde der Aufschwung damals durch die coronabedingten Einschränkungen insbesondere in Europa und den USA begünstigt, da diese den Konsum in Richtung langlebiger Güter verschoben hatten, die im großen Stil von China hergestellt und exportiert wurden.
Darüber hinaus droht Gegenwind vonseiten des Immobiliensektors, der noch im Begriff ist, die Exzesse der vergangenen Jahre zu verdauen. Die Commerzbankspezialisten gehen bestenfalls davon aus, dass sich die Lage am Häusermarkt in den kommenden Monaten stabilisieren wird. Doch mit einem deutlichen Anziehen der Immobiliennachfrage ist nicht zu rechnen, zumal aus politischer Sicht eine neuerlich starke Verschuldung in diesem Sektor wohl nicht erwünscht ist.
Der schwächeren Nachfrage aus dem Immobiliensektor stehen zwar staatliche Infrastrukturinvestitionen gegenüber. Die entsprechenden Quoten wurden jedoch im Vergleich zum Vorjahr verringert. Auch hierin dürfte sich der Aufschwung zu früheren unterscheiden, als die chinesische Führung das Wirtschaftswachstum noch mit massiven Fiskalhilfen gestützt hatte. Dennoch ist zumindest mit selektiven Förderungen seitens Pekings zu rechnen, die die Industrieproduktion insgesamt stützen sollten, darunter Investitionen in strategische Sektoren wie auch das Vorantreiben der Energiewende und der Modernisierung von Industrieanlagen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes.
Vor diesem Hintergrund dürften Metalle wie Kupfer und Nickel etwa von einem anhaltend starken Wachstum der Elektroautoindustrie sowie dem Ausbau der benötigten Strominfrastruktur profitieren. Dagegen dürfte die Nachfrage nach Metallen wie Eisenerz (hier haben die Commerzbank-Volkswirte ihre Jahresendprognose von 150 USD auf 130 USD je Tonne gesenkt), die vor allem im Bausektor Verwendung finden, etwas weniger stark anziehen.
Quelle: Commerzbank AG / Commerzbank Commodity Research / Vorschaubild: Fotolia