Industrie auch im April auf der Überholspur

von Hubert Hunscheidt

Das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland verzeichnete auch im April ein historisch starkes Wachstum. Das zeigt der saisonbereinigte IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI), der im April mit 66,2 Punkten komfortabel in der Wachstumszone blieb. Wie der englische Finanzdienstleister IHS Markit weiter mitteilte, sei dies nach dem Rekordhoch vom März (66,6) der zweitbeste Wert seit der 1996 begonnenen Datenaufzeichnung.

Die Zuwachsraten bei Produktion und Auftragseingang schwächten sich zwar leicht ab, blieben aber nahe an den Rekordwerten vom März. Unterdessen führte der zunehmende Druck auf die Kapazitäten sowie der positive Geschäftsausblick zu einem kräftigen Schub beim Personalaufbau. Allerdings bremsten die anhaltenden massiven Störungen der Lieferketten die Leistung des Sektors und führten vereinzelt zu Produktionsstillständen. Zudem zogen sowohl die Einkaufs- als auch die Verkaufspreise infolgedessen erneut an.

„Es brummt in der deutschen Industrie“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, am Dienstag auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Der Nach-Corona-Boom laufe bereits auf Hochtouren, auch wenn Deutschland noch im Lockdown stecke. Die Weltwirtschaft – insbesondere China und die USA – seien die Lokomotiven und zögen kräftig. Da überrasche es nicht, dass auch die Preise an Fahrt aufnähmen. „Mehr und mehr wird deutlich, dass Preissteigerungen kein vorübergehendes Phänomen sein werden. Spannend wird es jetzt, ob die Notenbanken gegensteuern, oder ihr Augenmerk auf günstige Finanzierungsbedingungen richten. Ich vermute eher das zweite“, fügte die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.

„Grundsätzlich steht die Konjunktur-Ampel auf Grün. Die Industrie dürfte sich weiter berappeln“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, am Dienstag dem BME. Perspektivisch böten deren volle Auftragsbücher und die leeren Lager sogar zusätzliches Schubpotenzial. Zusätzlich helle sich mit Öffnungsperspektiven der Himmel für die Dienstleister auf.

Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise teilte Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG, am Dienstag dem BME mit: „Die schlechte Versorgungslage bei einigen Industrierohstoffen hält an. Das von der US-Regierung Biden in den Vereinigten Staaten angekündigte Infrastrukturprogramm dürfte gemeinsam mit den europäischen Konjunkturprogrammen die Rohstoffnachfrage weiter erhöhen. So verteuerten sich im April etwa Warmbreitband und verzinkte Bleche im Durchschnitt um 16 Prozent. Bei Kupfer testen die Börsen die Marke von 10.000 US-Dollar je Tonne. Eine richtige Entspannung sieht die IKB erst nach einem vollen Hochfahren der Produktion, das etwa in der europäischen Stahlindustrie noch nicht ganz erreicht ist.“

Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:

Produktion: Auch im April haben die Hersteller ihre Produktion kräftig ausgeweitet. Der saisonbereinigte Teilindex gab gegenüber dem Rekordhoch vom März zwar etwas nach, notierte aber weiter auf sehr hohem Niveau. Laut EMI-Umfrageteilnehmern gingen die jüngsten Zuwächse erneut auf die starke Nachfrage zurück. Gleichzeitig berichteten jedoch viele der befragten Einkaufsmanager (oft aus dem Vorleistungsgüterbereich) von massiven Lieferproblemen, die die Produktion teils drosselten.

Auftragseingang: Auch beim Auftragseingang machte sich das hohe Nachfrageniveau im In- und Ausland bemerkbar. Erneut wurde ein deutliches Plus verbucht, wenngleich leicht abgeschwächt gegenüber dem Rekordwert vom Vormonat. In allen drei Teilsektoren wurden Zuwächse verzeichnet, angeführt vom Investitionsgüterbereich.

Auftragseingang Export: Der saisonbereinigte Teilindex ging im Vergleich zum Rekordhoch vom März zwar leicht zurück, blieb aber komfortabel in der Wachstumszone. Zum wiederholten Mal war vor allem China eine Hauptquelle für Neuaufträge. Aber auch in Italien, der Türkei und den USA steigen die Verkaufszahlen, wie einige EMI-Umfrageteilnehmer berichteten.

Beschäftigung: Deutschlands Industrieunternehmen setzten im April alles daran, der steigenden Nachfrage Herr zu werden und stellten zusätzliches Personal ein. Das Beschäftigungswachstum beschleunigte sich deutlich und war so hoch wie seit August 2018 nicht mehr. Am höchsten war der Zuwachs im Vorleistungsgüterbereich, gefolgt vom Investitionsgüterbereich.

Einkaufspreise: Da der Bedarf an Vormaterialien und Transportkapazitäten das Angebot im April weiterhin deutlich überstieg, nahm auch der Kostendruck zu. Demnach beschleunigte sich die Inflationsrate der Einkaufspreise den sechsten Monat in Folge – wenn auch mit abnehmender Dynamik – auf den höchsten Stand seit Februar 2011. Zu den meistgenannten Materialien, die sich verteuerten, zählen Chemikalien, Elektronik, Metalle (insbesondere Aluminium und Stahl), Verpackungen, Kunststoffe und Holz.

Verkaufspreise: Die starke Inflation der Verkaufspreise setzte sich im April fort, denn immer mehr Hersteller geben ihre höheren Kosten an die Kunden weiter. Der saisonbereinigte Teilindex kletterte den zweiten Monat hintereinander auf ein neues Allzeithoch. In allen drei Teilsektoren wurden Preissteigerungen registriert. 36 Prozent der Umfrageteilnehmer hoben ihre Preise an, verglichen mit fast 80 Prozent, die einen Kostenanstieg verzeichneten.

Geschäftserwartungen: Der Geschäftsausblick blieb auch im April äußerst optimistisch. Mehr noch: Nach einer leichten Abschwächung im Vormonat verbesserte sich der entsprechende Teilindex wieder und kletterte auf den höchsten Stand seit Erfassung dieser Daten im Juli 2012. Viele der EMI-Befragten hoffen vor allem darauf, dass die Auswirkungen der Pandemie nachlassen und dadurch die Nachfrage weiter steigt

Quelle: Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) / Foto: fotolia

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