Globale Konjunktur bricht als Folge der Coronavirus-Pandemie ein

von Hubert Hunscheidt

Die globale Konjunktur bricht als Folge der Coronavirus-Pandemie ein. Um die Ausbreitung der Neuinfektionen einzudämmen und einer Überlastung des Gesundheitswesens entgegenzuwirken, kommt es mittlerweile in vielen Ländern zu Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und einem weitgehenden Stillstand des öffentlichen Lebens. Gleichzeitig versuchen die meisten Staaten die erwarteten wirtschaftlichen Folgen mit umfangreichen wirtschaftspolitischen Maßnahmen abzumildern. Eine präzise Vorhersage der volkswirtschaftlichen Kosten der Corona-Krise ist zum jetzigen Zeitpunkt nahezu unmöglich, da eine hohe Unsicherheit über die weitere Verbreitung des Virus und insbesondere die von den Regierungen ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie besteht. Auch gibt es keine historischen Erfahrungen mit vergleichbaren Ereignissen, aus denen wahrscheinliche Krisenverläufe abgeleitet werden könnten. Schließlich stehen aktuell nur sehr wenige Konjunkturindikatoren zur Verfügung, mit denen sich das gesamtwirtschaftliche Ausmaß der Folgen der Corona-Krise abschätzen ließe.
 
Deutsche Wirtschaft schrumpft 2020
 
Nach derzeitigem Stand könnte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 1,5 Prozent schrumpfen. Damit wird die Wachstumsrate im Vergleich zu einer Situation ohne Ausbruch der Corona-Krise um fast 3 Prozentpunkte zurückgenommen. Während es im ersten Quartal infolge des starken Jahresauftaktes noch zu einem leichten Anstieg des Bruttoinlandsprodukts kommen dürfte, wird die Krise ihre volle Wirkung im zweiten Quartal entfalten und zu einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um 4,5 Prozent führen. Bis in die erste Jahreshälfte 2021 dürfte es dann wieder zu einer allmählichen Rückkehr der Produktion von Waren und Dienstleistungen auf ein normales Niveau kommen.
 
Ausgehend von der niedrigen Produktion im zweiten Quartal fallen die Zuwachsraten in diesem Aufholprozess mit anfangs 2,0 Prozent gegenüber dem Vorquartal kräftig aus. Dabei wird unterstellt, dass die Corona-Krise auch längerfristige Auswirkungen hat, etwa aufgrund von Firmenpleiten, die das Produktionsniveau am Ende des Prognosezeitraums um 0,6 Prozent unter das Vorkrisenniveau drücken. Die mit diesem Szenario in Zusammenhang stehenden gesamtwirtschaftlichen Kosten der Corona-Krise belaufen sich in beiden Jahren auf zusammengenommen etwa 115 Mrd. Euro.
 
Angesichts des unterstellten Ausmaßes wird die Corona-Krise auch substantielle Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Durch Ausweitung der Regelungen zur Kurzarbeit und dem Abbau von Gleitzeitguthaben dürfte ein Großteil der Anpassungen über die durchschnittliche Arbeitszeit je Erwerbstätigen erfolgen, welche im unterstellten Szenario im Jahr 2020 um knapp 1 Prozent zurückgehen dürfte. Allerdings dürfte die Anpassung der Arbeitszeit vor allem in den besonders von der Corona-Krise betroffenen Wirtschaftsbereichen nicht ausreichen, um den Rückgang der Wirtschaftsleistung vollständig zu kompensieren. Die schlägt sich in einem Anstieg der Arbeitslosenquote von 5,0 Prozent im Jahr 2019 auf 5,3 Prozent im Jahr 2020 nieder. Entsprechend dürfte die Zahl der Erwerbstätigen im Vorjahresvergleich um mehr als 100 000 sinken. Dies entspräche dem ersten Rückgang seit 15 Jahren.
 
Auch die Weltwirtschaft dürfte beträchtlich unter der Corona-Krise leiden. So wird das globale Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr nur noch um 0,1 Prozent zulegen, nach 2,6 Prozent im vergangenen Jahr. Auch der Welthandel dürfte mit einem Rückgang um 1,7 Prozent stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Bereits zum Jahresauftakt wird die gesamtwirtschaftliche Produktion leicht geschrumpft sein aufgrund der rückläufigen realen Aktivität in China und Südkorea. Aber auch Japan dürfte bremsen. Mit der weiteren Verschärfung der Pandemie wird die globale Wirtschaftsleistung wohl vor allem im zweiten Quartal um 2,6 Prozent einbrechen. Hierzu tragen insbesondere Europa und die USA bei. Hier dürfte der Krisenverlauf sehr ähnlich wie in Deutschland sein. Dagegen dürfte die Aktivität in China und Südkorea wieder leicht zulegen als Folge der gesunkenen Infektionszahlen. Ab dem Sommer wird es voraussichtlich weltweit zu einem allmählichen Aufholprozess kommen mit knapp 2 Prozent Zuwachs im dritten und 1,7 Prozent im vierten Quartal. Ähnlich wie in Deutschland dürfte das Produktionsniveau am Ende des Prognosezeitraums um 0,5 Prozent unter dem Vorkrisenniveau liegen.
 
Abwärtsrisiken erheblich
 
Das Abwärtsrisiko bei der vorliegenden Prognose ist erheblich, da sich die getroffenen Annahmen als zu optimistisch herausstellen können. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich die Krise länger hinzieht, etwa weil sich die Pandemie deutlich langsamer eindämmen lässt, oder weil das Wiederhochfahren der wirtschaftlichen Aktivität nicht reibungslos funktioniert bzw. eine erneute Ansteckungswelle auslöst. Auch können weitere Maßnahmen zur Infektionsbekämpfung in Kraft treten, die insbesondere die Produktion in weit größerem Umfang als hier angenommen stilllegen. Einfache Überschlagsrechnung zeigen deutlich, dass solche Produktionsstillstände kurzfristig erhebliche gesamtwirtschaftliche Effekte hätten. Jeder Monat, in dem die Produktion um ein Viertel gedrosselt würde, würde etwas mehr als 2 Prozentpunkte des Wirtschaftswachstums eines Jahres kosten. Es ist schwer vorstellbar, dass es in einer solchen Situation gelänge, Insolvenzen und damit langfristige Produktionseinbußen zu vermeiden. In einem Risikoszenario wurde deshalb der Konjunktureinbruch verstärkt, die Rezession verlängert und die Erholung verlangsamt. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr würde auf 6,0 Prozent steigen, und Ende 2021 läge das Bruttoinlandsprodukt immer noch 2,0 Prozent unter dem Niveau, das sich ohne die Corona-Krise eingestellt hätte. In einem solchen Risikoszenario würden Verwerfungen im Finanzsystem als Folge umfangreicher Kreditausfälle und Unternehmensinsolvenzen wahrscheinlicher, die im Basisszenario nicht unterstellt wurden. Darin spiegelt sich die Annahme wider, dass im Falle Deutschlands der sogenannte „Schutzschild für Beschäftigte und Unternehmen“ der Bundesregierung wirkt. Er wird vor allem für Unternehmen aufgebaut, die infolge der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie Umsatzeinbußen erleiden und dadurch in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Die beschlossenen Maßnahmen beinhalten Entlastungen bei den Steuerzahlungen, Liquiditätshilfen und staatlichen Garantien sowie eine Ausweitung des Kurzarbeitergeldes. Ähnlich umfangreiche fiskalische Maßnahmen wurden auch in anderen Staaten beschlossen, was insbesondere im Euroraum neue Risiken für die Stabilität der Staatsfinanzen mit sich bringt. Bei hoch verschuldeten Mitgliedstaaten wie etwa Italien könnte es zu einem massiven Vertrauensverlust der Investoren kommen. Der kräftige Anstieg der Risikoprämien für italienische Staatsanleihen deutet darauf bereits hin.
 

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