Europäischer Strommarkt: Weiterentwicklung angesichts der Herausforderungen
von Angelika Albrecht
Der europäische Strombinnenmarkt ist der Dreh- und Angelpunkt für eine sichere, kostengünstige und umweltfreundliche Stromversorgung in Europa. Mit einem Reformvorschlag möchte die EU-Kommission sowohl den Ausbau erneuerbarer Energien als auch den Ausstieg aus Erdgas beschleunigen. Formales Ziel ist es, Strompreise langfristig vorhersehbarer zu gestalten, um Stromkunden besser vor Preisspitzen zu schützen. Letztendlich geht es aber auch darum, die europäische Industrie wettbewerbsfähiger zu machen. Wie muss der Strommarkt dafür aussehen?
Effiziente Preisbildung durch Angebot und Nachfrage weiter gefragt
Das Wichtigste bleibt: Das Herzstück des Strommarkts ist die Preisbildung. Auf den kurzfristigen "Spotmärkten" richtet sich der Preis nach den höchsten Erzeugungskosten, die benötigt werden, um die Stromnachfrage zu decken (Marginal Pricing). Der Kommissionsvorschlag möchte dies beibehalten. Das ist auch aus Sicht der Wirtschaft notwendig für eine effiziente Preisbildung. Unternehmen haben somit die Möglichkeit, kurzfristig ihre Versorgungslücken zu schließen oder Überschüsse abzugeben. Sie können dementsprechend schnell und ökonomisch sinnvoll reagieren. Dennoch ist der EU-Strombinnenmarkt noch nicht abgeschlossen: Um europaweite Kapazitäten einzubeziehen, muss vor allem das europäische Netz konsequent ausgebaut werden.
Schutz vor Preissprüngen durch liquide Terminmärkte
Wichtig aus Unternehmenssicht ist, dass die EU-Kommission den Zugang zu langfristigen "Terminmärkten" stärken möchte. Unternehmen haben dort die Möglichkeit, sich vor unerwarteten Preissprüngen zu schützen (Hedging). Ein bedeutender Ansatz für die Wirtschaft, da diese so noch besser Preise für Stromlieferungen absichern kann, was besonders in Krisenzeiten wichtig ist. Eine zentrale Voraussetzung dafür ist ein "liquider" Terminmarkt, sodass Strom dort also schnell und einfach ge- beziehungsweise verkauft werden kann. Deutschland besitzt durch seine Größe, Diversität der Marktakteure sowie Anbindung zu anderen EU-Staaten bereits gute Voraussetzungen für Liquidität, die den Markt zur Drehscheibe des Stromhandels in Europa machen. Dem entgegen stehen aus Sicht der Wirtschaft jedoch die von der EU-Kommission neu vorgesehenen regionalen virtuellen Handelszentren. Diese würden den deutschen Terminmarkt strukturell verändern und damit Liquidität entziehen. Unternehmen könnten sich in der Folge schwerer gegen Preissprünge absichern.
Mehr erneuerbare Energien besonders durch Investitionen der Wirtschaft
Damit in den kommenden Jahren auch ausreichende Mengen an Strom aus Wind und Sonne sowie Folgeprodukte wie Wasserstoff zur Verfügung stehen, bedarf es massiver Investitionen aus der Wirtschaft. Durch Direktstromlieferverträge (Power Purchase Agreements, PPAs) können der Bau und die Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Anlagen angeregt werden. Die EU-Kommission möchte es vor allem kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erleichtern, PPAs abzuschließen. Richtig ist, dass staatliche Garantien, zum Beispiel durch eine staatliche Risikoabsicherung, finanzielle Risiken für die langfristige Investition in einen Direktstromliefervertrag absichern. KMU haben damit einen leichteren Zugang zum PPA-Markt, und der Bezugskreis wird erweitert.
Nationale Maßnahmen weiter ermöglichen
Erneuerbarer Energien spielen eine entscheidende Rolle in der heutigen und zukünftigen Stromversorgung Europas. Damit der Ausbau von Wind- und Solaranlagen in allen Mitgliedstaaten voranschreitet, ist es nachvollziehbar, dass sich die EU mit passenden Förderinstrumenten befasst. Aus Unternehmenssicht gibt es hierfür aber keine "One size fits all"-Lösung, so wie es die Kommission gern möchte. Stattdessen werden die richtigen Anreize für Investitionen in Wind- und Sonnenenergie dann gesetzt, wenn Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit haben, nationale Gegebenheiten des Energiemixes zur Stromerzeugung zu berücksichtigen.
Durch freie Preisbildung, liquide Terminmärkte wie auch den Ausbau von erneuerbaren Energien sowie eine passgenaue Förderung wird das Strommarktdesign zur Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft beitragen. Die DIHK hat die erste Idee zur Strommarktreform der EU-Kommission bereits im Februar in einer Stellungnahme (PDF, 250 KB) ausführlich kommentiert.
Quelle: Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) / Vorschaubild: Fotolia