DIW: Erneuerbare um ein Vielfaches günstiger als Atomenergie

von Angelika Albrecht

Laut DIW entbehren laufende und geplante nukleare Projekte technischer und ökonomischer Grundlagen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hält ein Umdenken bei Modellierung von künftigem Energiemix für erforderlich. Das Fazit des Instituts: Erneuerbare Energien sollten stärker in den Fokus rücken, Nukleartechnik geht zurück, eine vertiefte Forschung in Atomenergie ist nicht sinnvoll und die Endlagersuche sollte forciert werden.

Die letzten drei deutschen Kernkraftwerke „Emsland“, „Isar-2“ und „Neckarwestheim-2“ gehen am 15. April vom Netz. Angesichts der Energie- und Klimakrise werden aber nicht nur in Deutschland zunehmend Stimmen laut, die Atomforschung voranzutreiben. Alle derzeit diskutierten neuen Kernkraftprojekte sind aber ökonomisch und technisch weder zukunftsfähig noch sinnvoll. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse von Wissenschaftler*innen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

„Atomenergie war, ist und bleibt technologisch riskant und unrentabel. Daran ändern auch angeblich innovative Reaktorkonzepte nichts, die in Wirklichkeit ihren Ursprung in der Frühzeit der Atomenergie in den 1950/60er Jahren haben“, erläutert Christian von Hirschhausen, Forschungsdirekter der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im DIW Berlin. Daher könne Atomenergie auch keinen kostengünstigen und zeitnahen Beitrag zum Klimaschutz leisten oder die Stromversorgung sichern. „Neben der Klimaneutralität brauchen wir auch eine Plutoniumneutralität, weil es nicht nur darum geht, CO2 zu reduzieren, sondern auch das gefährliche, langlebige Plutonium in den radioaktiven Abfällen.“

Innovative Atomkonzepte mit alter, nicht bewährter Technologie?

Die DIW-Forscher*innen nehmen drei Reaktorkonzepte unter die Lupe, die aktuell die internationale Atomdebatte bestimmen: Leichtwasserreaktoren, SMR („Small Modular Reactors“) und schnelle Brüter. Kernkraftwerke der dritten Generation, Leichtwasserreaktoren mit einer elektrischen Leistung von 600 bis 1600 Megawatt, basieren auf einer Technologie der 1980er Jahre und werden noch heute gebaut. Als problematisch erweisen sich jedoch überbordende Kosten und Bauverzögerungen, wie sie seit ihrer Entwicklung in besonders eklatanter Weise in den USA und Europa beobachtet wurden.

Befürworter*innen von Kernkraftwerksneubauten sehen insbesondere SMR als Hoffnungsträger, wie sie unter anderem von Microsoft-Gründer Bill Gates propagiert werden. Es handelt sich um Leichtwasserreaktoren mit einer Kapazität in der Regel bis zu 300 Megawatt. Sie sind den Studienautor*innen zufolge allerdings keineswegs innovativ, sondern gehen auf die 1950er Jahre zurück, als Atomkraft als Antriebstechnologie für Militär-U-Boote nutzbar gemacht wurde.

Bereits damals konnte sich die Technik wegen Kostennachteilen gegenüber leistungsfähigeren Reaktoren nicht durchsetzen. Heute gibt es einige Pilotprojekte, etwa in den USA, Kanada und Großbritannien, die jedoch Modellrechnungen zufolge wesentlich teurer werden dürften als herkömmliche Reaktoren. Noch dazu ist die Marktnachfrage gering. Trotz jahrzehntelanger Forschung konnte kaum ein Kernkraftwerk des Typs SMR den kommerziellen Leistungsbetrieb aufnehmen. Insbesondere besteht aber keine Perspektive, die erheblichen Größennachteile durch Massenproduktion wettzumachen. Hierfür wäre bei optimistischer Betrachtung der Bau von mehreren Tausend baugleichen Kernkraftwerken notwendig.

„Technisch sind bei Atomenergie keine signifikanten Durchbrüche absehbar,“ sagt Claudia Kemfert

Auch schnelle Brüter und andere nicht leichtwassergekühlte Reaktoren sind auf absehbare Zeit nicht wettbewerbsfähig, wie die DIW-Forscher*innen in ihrer Studie aufzeigen. Die Technik stammt ebenfalls aus dem vergangenen Jahrhundert, die meisten angeschobenen Projekte wurden wegen sicherheitstechnischer Mängel und fehlender wirtschaftlicher Perspektiven gestoppt, so unter anderem der schnelle Brüter im nordrhein-westfälischen Kalkar, der niemals in Betrieb ging und heute zu einem Freizeitpark umgebaut wurde. Da bei schnellen Brütern viel spaltbares Material entsteht, gibt es auch ein größeres Proliferationsrisiko, also die Gefahr der Weitergabe zu Atomwaffenzwecken.

Erneuerbare um ein Vielfaches günstiger als Atomenergie

„Technisch sind bei der Atomenergie keine signifikanten Durchbrüche absehbar“, bilanziert Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im DIW Berlin. „Atomkraft ist zudem die mit Abstand teuerste Energie – und bei Weitem teurer als Erneuerbare.“ Diese Erkenntnis habe sich inzwischen auch bei der Modellierung von Energiesystemen durchgesetzt. Während zuvor aufgrund überoptimistischer Annahmen immer ein wesentlicher Anteil an Atomenergie angenommen worden sei, richte sich der Fokus nun immer stärker auf Erneuerbare und weg von Kernkraft.

Staatlich geförderte Forschung sollte sich künftig auf die Bereiche konzentrieren, von denen substanzielle Beiträge zur Energiewende zu erwarten sind“, empfiehlt Kemfert. „Dies sind etwa erneuerbare Energien oder Speichermöglichkeiten und andere Flexibilitätsoptionen, Atomkraft gehört definitiv nicht dazu. Die Bundesregierung sollte auch davon absehen, mit Atomkraft erzeugter Energie ein grünes Label anzuhängen, wie es derzeit beim Wasserstoff diskutiert wird. Stattdessen sollte mit Hochdruck nach sicheren Zwischenlagern und einem Endlager gesucht werden, um das Atomkapitel endgültig abzuschließen.“

HIER der Link zur DIW-Studie


Über das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)

Das DIW Berlin (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) ist seit 1925 eines der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland. Es erforscht wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Zusammenhänge in gesellschaftlich relevanten Themenfeldern und berät auf dieser Grundlage Politik und Gesellschaft. Das Institut ist national und international vernetzt, stellt weltweit genutzte Forschungsinfrastruktur bereit und fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs. Das DIW Berlin ist unabhängig und wird als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert.


Quelle und Vorschaubild: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)

 

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