Deutscher Maschinen-bau: Aufwärts, abwärts oder Stagnation?

Stuttgart / Schönaich - Sind wir auf dem Weg in eine Rezession? Seit Wochen überschlagen sich die Negativmeldungen. Und doch berichtete vor einigen Tagen Spiegel-online, die Industrieunternehmen in Deutschland hätten im Juni das höchste Auftragsplus seit fast zwei Jahren erreicht. Laut Statistischem Bundesamt seien die Bestellungen im Vergleich zum Mai um 2,5 Prozent gestiegen. Ursache sei jedoch ein starker Anstieg von großen Auslands-Aufträgen gewesen.

Düsterer Blick in die Zukunft


Das Inlandsgeschäft in Deutschland jedoch darbt und geht zurück. Besonders betroffen von den internationalen Handelskonflikten ist die Autobranche, die ja zudem mit der Diesel-Affaire und mit der Abwendung vom Verbrennungsmotor beschäftigt ist. Viele Unternehmen der Auto-, Metall- und Elektroindustrie haben bereits Überstundenabbau und Personalabbau angekündigt.

Der Maschinenbauverband VDMA hat vergangene Woche für das erste Halbjahr 2019 einen Umsatzrückgang von neun Prozent gemeldet. Auch für das Gesamtjahr sieht der VDMA schwarz und prognostiziert einen Produktionsrückgang von zwei Prozent. In der Analyse der negativen Gesamtentwicklung verweist auch der VDMA vor allem auf externe Gründe.

Olaf Wortmann, Konjunkturexperte des VDMA wird in Presse wie folgt zitiert: „Dieser Rückgang geht auf die schwächere Weltkonjunktur, die zahlreichen, meist politisch motivierten Verwerfungen und den tiefgreifenden Strukturwandel in der Automobilindustrie zurück.“

Hausgemachte Nachlässigkeiten


Einen etwas anderen Blick auf die düsteren Prognosen für den deutschen Maschinenbau haben zwei junge Tech-Unternehmen. Sie plädieren für grundlegendes Umdenken und für mutige Schritte. Sie sehen viel hausgemachte Nachlässigkeiten in der Branche, die sich nun zu rächen beginnen.

Digitalisierung und Automatisierung erforderlich


Für Christoph Rössner, Gründer und Geschäftsführer der Laserhub GmbH aus Stuttgart, ist dies aber nur ein Teil der Wahrheit. Rössner verweist vielmehr darauf, dass über viele Jahre hinweg die Branche lediglich auf inkrementelle Effizienzerhöhung der Produktion fokussiert hat und dabei andere Teilbereiche und Entwicklungen außer Acht gelassen wurden. „Im Maschinenbau und der damit verbundenen Zulieferindustrie ist es mittlerweile unerlässlich durch Digitalisierung und Plattformgeschäftsmodelle die Effizienzen aller Prozesse - also auch die der Administration - zu digitalisieren und zu automatisieren. Damit können negative externe Effekte abgeschwächt werden und es gelingt wichtige Ressourcen besser einzusetzen.“

Mehr Effizienz bei der Beschaffung und bessere Auslastung


Rössner, dessen Plattform speziell für Blechbearbeiter und deren Kunden entwickelt wurde, verweist dabei beispielsweise auf Ineffizienzen bei der Beschaffung und mangelnder Auslastung von Produktionskapazitäten bei Zuliefern durch zu viele manuelle und damit langsame sowie unwirtschaftliche Prozesse. Er verweist hier auf Möglichkeiten des digitalen und automatisierten Lieferantenmanagements, Netzwerkeffekte durch Plattformen und auf die somit steigende Wettbewerbsfähigkeit durch sinkende Kosten. „Die Erhöhung der gesamten Effizienz führt zu besserer Auslastung, geringeren Prozesskosten, niedrigeren Teilepreisen und ermöglicht somit eine wirtschaftlichere Produktion für alle Beteiligten“, fasst Rössner zusammen.

Veränderung wird schneller


Auch für Nikolai Ensslen, Gründer und CEO der Synapticon GmbH aus Böblingen bei Stuttgart, liegt ein wesentlicher Teil des Problems in der nur sehr geringen Veränderungsbereitschaft vieler Unternehmen der Maschinenbaubranche. Synapticon ist seit nunmehr knapp sieben Jahren weltweit als Technologielieferant für Roboterhersteller, Maschinenbauer und Automationsanbieter aktiv und sieht in den vergangenen Jahren eine problematische Entwicklung am deutschen Markt.

 „Keine Frage, der deutsche Maschinenbau ist noch immer verdammt gut in den Bereichen, in denen er schon seit Jahrzehnten führend ist. Hier setzen unsere Unternehmen den weltweiten Qualitätsstandard“, erklärt Ensslen, nicht aber ohne ein großes Aber hinterherzuschicken. „Die Zeiten haben sich dramatisch geändert und die Geschwindigkeit der Veränderung wird noch weiter zunehmen. Der klassische Maschinenbau wird von neuen Branchen bzw. Technologien in die Zange genommen und viele Unternehmen wissen noch nicht, wie sie darauf reagieren sollen.“

Produktivität steigern mit kollaborativen Robotern


Als eine beispielhafte Entwicklung nennt Ensslen die rapide Verbreitung von kollaborativen Robotern, sogenannten Cobots, die besonders einfach zu programmieren sind, immer günstiger werden und daher mittel- und langfristig ungeahnte Möglichkeiten in die Welt der Automation einbringen. „Hier spielt die Musik mit fast ohrenbetäubender Lautstärke in China, während sich die meisten deutschen Unternehmen noch fragen, ob es überhaupt Sinn macht sich damit zu beschäftigen“, berichtet Ensslen, der selbst viel in China unterwegs ist, um Kunden und Partner zu treffen.

„Zukunftstaugliche Cobots, die zu vertretbaren Kosten gebaut werden können, erfordern jedoch in Konstruktion, Elektronik und Software neue Ansätze und Komponenten, mit denen sich deutsche Hersteller erst in kleinen Schritten vertraut machen. Hier ist dringend mehr Wille zur Veränderung und mehr Bereitschaft für Geschwindigkeit gefragt.“

Beide Unternehmer sind sich einig, dass der deutsche Maschinenbau zwar den Anschluss noch nicht verpasst hat, dass aber mutige Schritte und die Bereitschaft zum Bruch mit althergebrachten Gewohnheiten unverzichtbar sind. So fordern sie die Branche auf die Chancen der Digitalisierung am Schopf zu packen und zugleich die Potentiale der neuen Robotik zu nutzen.

Über die Synapticon GmbH – Robotic Control Systems

Die Synapticon GmbH mit Sitz in Schönaich bei Stuttgart und im Silicon Valley, ist aktiv im Bereich Embedded Systems und wurde 2010 in Gruibingen auf der Schwäbischen Alb gegründet. Die Technologie des Unternehmens ermöglicht Intelligent Robotic Motion und umfasst Hard- und Software für vernetzte Steuerungssysteme. Die interdisziplinäre Kompetenz und die leistungsfähigen, hoch flexiblen Produkte ermöglichen maßgeschneiderte Lösungen in den Bereichen Industrierobotik, fahrerlose Transportsysteme mobile Service-Robotik sowie Spezialanwendungen in der Automatisierung. Das Portfolio von Synapticon umfasst die Produktreihen SOMANET, LONA und LINK. Damit können Entwickler von robotischen Systemen mühelos verteilte Steuerungssysteme konfigurieren, aufbauen und programmieren, bei denen Motor- und Bewegungssteuerung, Erfassung von Sensordaten, intelligente Datenverarbeitung und autonome Navigation vollständig integriert sind. Mit ACTILINK hat Synapticon Herbst 2018 sein Angebot auf den Maschinen- und Sondermaschinenbau  erweitert und im Januar 2019 eine zweite Finanzierungsrunde erfolgreich abgeschlossen.
 
 
Über Laserhub GmbH

Die Laserhub GmbH ist ein B2B-Startup aus Stuttgart und hat mit „Laserhub.de“ und „Laserhub.at“ eine vertikal integrierte, herstellerübergreifende Beschaffungsplattform für individuelle Blechteile entwickelt. LASERHUB verknüpft vollautomatisiert die Anliegen der Nachfrager mit den Ressourcen der Anbieter. Dadurch sinken sowohl die Prozess- als auch die Teilekosten sowie die Bestell- und Abwicklungsdauer. Freie Fertigungsressourcen werden ausgelastet, wodurch die Produktivität der Anbieter steigt. Diese können automatisch die eingestellten Aufträge aus den Bereichen Laserschneiden, Biegen/Abkanten und weiteren Anarbeitungen übernehmen und realisieren. LASERHUB tritt dabei für alle Beteiligten als einziger Vertragspartner auf und zeichnet sich für den gesamten Prozess verantwortlich: von der automatischen Angebotserstellung bis hin zur Auftragserteilung, Umsetzung, Logistik und Abrechnung.
 
Mit seinem in Deutschland einzigartigen Angebot geht das Team von LASERHUB auch in Sachen Industrie 4.0 einen Schritt weiter: Die intelligente Plattform dient als digitalisierte Schnittstelle zwischen Industriekunden und Blechbearbeitern und automatisiert dabei den Vergabeprozess. Somit ermöglicht LASERHUB den optimalen – weil vernetzten – Datenaustausch zwischen Produzenten und Abnehmern. Zu den Kunden gehören sowohl klassische Handwerksbetriebe als auch zahlreiche Mittelständler (KMU) und sogar etablierte DAX30-Konzerne. Gegründet wurde LASERHUB im Juli 2017 von Adrian Raidt, Christoph Rößner und Jonas Schweizer.
 
 
Quelle:  Die Laserhub GmbH + Synapticon GmbH, spiegel-online (6.8.2019)  / Vorschaubild: fotolia

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