Dammbruch in Brasilien – Schub für die Eisenerzpreise?

von Dagmar Dieterle

Der Dammbruch in einer brasilianischen Eisenerz-Mine des Vale-Konzerns sorgt seit Ende Januar für Schlagzeilen. Zuallererst ist dabei an die vielen Opfer und die damit verbundenen menschlichen Tragödien zu denken. Zu Recht steht der offenbar laxe Umgang des Konzerns mit Sicherheitsvorschriften und Warnungen in der Kritik. An zweiter Stelle ist zu fragen, was das Unglück für den weltweiten Eisenerzmarkt und für die Erzpreise bedeutet. Die direkten Auswirkungen könnten sich zwar in Grenzen halten. Dennoch müssen Stahlmarktakteure das Thema, nicht zuletzt wegen der möglichen indirekten Folgen, auf ihrer Agenda haben.

Unglück führt zu Förderausfällen

Der Vale-Konzern hat kurz nach dem Unglück angekündigt, die Eisenerzförderung in ähnlich aufgebauten Minensystemen für die Dauer von drei Jahren zu stoppen. Dies führt zu einer jährlichen Angebotsreduzierung um ca. 40 Mio. Tonnen, worunter auch ca. 11 Mio. Tonnen hochwertige Eisenerzpellets fallen. Ein Teil des Ausfalls möchte das Unternehmen durch eine höhere Förderung in anderen Minensystemen ausgleichen. Anfang Februar ordnete ein brasilianisches Gericht aus Sicherheitsgründen die Einstellung von einigen Aktivitäten in einer weiteren Mine des Konzerns an. Die Maßnahme, die Vale für ungerechtfertigt hält und gerichtlich bekämpft, könnte zu einem weiteren Produktionsausfall von ca. 30 Mio. Tonnen jährlich führen. Infolge der Verfügung hat Vale gegenüber einigen Kunden „force majeure“ erklärt. Vor allem nicht-chinesische Stahlhersteller sollen davon betroffen sein.

Auch wenn der absehbare Förderausfall nicht gering ist, sorgt der Blick auf die schiere Größe des Weltmarktes für eine gewisse Relativierung. Weltweit werden jährlich ca. 3,3 Mrd. Tonnen Eisenerz gefördert, davon fließen ca. 1,6 Mrd. Tonnen in den seewärtigen internationalen Handel. Dieser ist weitgehend in der Hand von vier großen Rohstoffkonzernen, von denen Vale mit einer jährlichen Fördermenge von ca. 400 Mio. Tonnen der größte ist. Damit könnten im worst case - ohne Berücksichtigung einer möglichen Fördererhöhung an anderen Stellen - gut 4% des seewärtigen Eisenerzangebotsgebots von Produktionsausfällen betroffen sein.    

Werden die Karten am Eisenerzmarkt jetzt neu gemischt?

Als kurzfristige Reaktion auf die Vorfälle in Brasilien haben die Eisenerzpreise zunächst einen Sprung nach oben gemacht. Der Leitpreis für Feinerz mit 62% Eisengehalt sprang innerhalb weniger Tage von ca. 75,- $/t auf etwas mehr als 90,- $/t. In der Folge kam es aber recht schnell zu einer Beruhigung. Aktuell liegt die Notierung bei ca. 85,- $/t. Dies ist immer noch das höchste Niveau seit Anfang 2017. Im Monatsmittel liegen die Eisenerzpreise im Februar um gut 15% höher als im Januar. Gegenüber dem Vorjahresmonat fällt der Anstieg etwas schwächer aus. Damit hat der Markt bisher auf die Ereignisse spürbar, aber nicht panisch reagiert.

Einige Bankanalysten waren schnell damit, ihre Preisprognosen für 2019 um 20% und mehr nach oben zu erhöhen. Dies scheint aber einigermaßen übereilt. Denn es ist noch gar nicht klar, wie stark das Angebot in diesem Jahr tatsächlich beeinträchtigt wird. Die meisten Analysten sind zwar der Meinung, dass weder Vale selbst noch die anderen Anbieter in der Lage sind, den vorhergesagten Ausfall kurzfristig auszugleichen. Das Angebot am Weltmarkt könnte somit in diesem Jahr leicht sinken statt, wie zuvor erwartet, leicht wachsen. Die Änderung liegt aber wahrscheinlich innerhalb des Fehlerkorridors, dem die Angebotsprognosen am Eisenerzmarkt in den vergangenen Jahren regelmäßig zum Opfer fielen. Daher ist es kühn, daraus einen solch starken Preisanstieg abzuleiten. Richtig ist aber, dass der Angebotsseite wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Richtig ist auch, dass es vor allem bei der Versorgung mit hochwertigen Pellets in einigen Fällen zu Engpässen kommen könnte.

Noch gar nicht berücksichtigt ist bei diesen Überlegungen die Nachfrageseite. Die Prognosen über den Eisenerzbedarf des weltweit mit Abstand größten Nachfragers China sind mit mindestens ebenso großer Unsicherheit behaftet wie die Überlegungen zum Angebot. Somit könnte sich die Marktbalance im Jahresverlauf noch ganz anders darstellen als heute erwartet. Der Eisenerzpreis dürfte in den kommenden Monaten sensibel auf neue Nachrichten reagieren, die Volatilität wird gegenüber den Vorjahren wieder zunehmen. Ein unmittelbarer „Preis-Schock“ mit massiven Auswirkungen auf den Stahlmarkt ist dagegen wenig wahrscheinlich.

Marktbeobachtung muss wieder auf die Agenda

Die größere Gefahr droht nicht aus den unmittelbaren Folgen des Unglücks, sondern aus den mittelbaren. Nachdem nun innerhalb von gut drei Jahren zum zweiten Menschen zu Tode kamen, ist es gut möglich, dass die allgemeinen rechtlichen und behördlichen Vorgaben zum Eisenerzabbau in Brasilien verschärft werden. Dies könnte Kosten- und Mengenstrukturen im zweitwichtigsten Förderland und damit auch am Weltmarkt erheblich beeinflussen. Obwohl mit Blick auf die kurzfristigen Folgen zu einer gewissen Gelassenheit geraten werden kann, muss daher die Beobachtung des Eisenerzmarktes auf der Agenda der Stahlmarktakteure wieder nach oben rücken. Nach einer groben Faustregel wirken sich Preisveränderungen bei Eisenerz immerhin mit dem Faktor 1,6 auf die Produktionskosten der hochofenbasierten Stahlherstellung aus. Allerdings sind Rohstoffpreise nur einer von vielen Faktoren, die die Stahlpreise beeinflussen.

 

Der Beitrag stammt vom Leverkusener Stahlmarkt-Berater Andreas Schneider, StahlmarktConsult. Foto: StahlmarktConsult

Der Gastkommentar spiegelt die Meinung des Autors wider, nicht notwendigerweise die der Redaktion von marketSTEEL.

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