Chinaschwäche zieht weitere Kreise

von Hans Diederichs

Bereits zum zweiten Mal in einer Woche griff in China der automatische Mechanismus zur Aussetzung des Börsenhandels, nachdem es zu einem Kurssturz von sieben Prozent gekommen war. Diesmal dauerte der Handelstag nur eine halbe Stunde, es war der kürzeste in der Geschichte der chinesischen Börse. Da der automatische Mechanismus aber offenbar sein Ziel zur Beruhigung des Handels nicht erreicht hat, will die chinesische Börsenaufsicht CSRC die Notbremse ab Freitag deaktivieren. Welche Folgen das haben kann, ist noch völlig offen.

Vor allem große Staatsbetriebe betroffen

Betroffen vom Abwärtstrend waren vor allem die großen Staatskonzerne wie der Stahlhersteller Pangang. Der Koloss mit seinen 70.000 Mitarbeitern verlor am Donnerstag fast zehn Prozent seines Börsenwerts. Wie die gesamte chinesische Stahlindustrie hat das Unternehmen mit massiven Überkapazitäten zu kämpfen, ein Werk musste bereits schließen.

Die chinesische Staatsführung, insbesondere die regionalen Machthaber, fürchten jedoch Massenentlassungen. Diese könnten zwar den Kostendruck der Unternehmen mildern. Da es aber in China so gut wie kein wirksames soziales Netz gibt, müsste in einem solchen Fall wohl mit massivem Druck von der Straße gerechnet werden.

Börsen gehen weltweit auf Talfahrt

Die Signale aus China beeinträchtigten die Börsen weltweit und schickten die Indizes in den Keller. Der deutsche Leitindex Dax stürzte um gut 400 Punkte, druchbrach die psychologisch wichtige Marke von 10.000 Punkten und notierte am Nachmittag rund 3,5 Prozent niedriger als am Vortag. Betroffen waren hier vor allem Maschinen- und Autohersteller sowie deren Zulieferer.

Vor allem die Autobranche konnte sich zuletzt auf die steigende Nachfrage der aufstrebenden chinesischen Mittelschicht verlassen. Damit könnte nun Schluss sein. Da die Regierung Chinas auf die Wirtschaftsschwäche des Landes mit einer Abwertung des Yuan reagiert hat, sackten nicht nur die Aktienkurse ab: Es verteuern sich künftig auch die Exporte nach China; zudem wird für die Chinesen noch einfacher, ihre eigene Überproduktion vermehrt in den Weltmarkt zu drücken.

Kommt der große Crash?

"Das ist die schwierigste wirtschaftliche Situation seit den 80er Jahren", sagte der chinesische Wirtschaftsexperte Wang Fuzhong gegenüber dem ZDF. Es sähe noch schlimmer aus, als bisher befürchtet, und niemand wisse, wie sich der Abwärtstrend aufhalten lasse. Auch der deutsche Börsenexperte Dirk Müller gab sich alarmiert. Im Gespräch mit dem Handelsblatt sagte er auf die Frage, ob das der Beginn des großen Crahs sei: "Es ist möglich, ja. Vielleicht ist das der Anfang."

Parallel zu den Leit-Börsen sackte nämlich nicht nur der Ölpreis weiter ab, auch wichtige Industriemetalle wie Kupfer, Zink und Nickel notierten in der Spitze zwischen 3 und 4 Prozent leichter. Die globale Wirtschaftsabkühlung könnte sich damit fortsetzen; die Weltbank kappte heute ihre Jahresprognose um 0,4 Prozentpunkte auf 2,9 Prozent.

Chinas kommunistische Staatsführung scheint derweil völlig überfordert, die Turbulenzen an den Finanzmärkten eizuhegen und die Wirtschaft auf ein sicheres Gleis zurückzuführen. Der laufende Umbau des Landes, weg von den Investitionen in Infrastruktur und hin zu mehr privatem Konsum und Dienstleistungen, wäre damit gefährdet. Analysten hatten sich zuletzt vor allem über den starken Rückgang der Devisenreserven überrascht gezeigt, die im Dezember auf den niedrigsten Stand seit drei Jahren gefallen waren. 

Unvergessen ist vielen das Bonmot des ehemaligen chinesischen Staatschefs Deng Xiaoping, der mit Blick auf kapitalistische Strukturen in China einst bemerkte, es sei egal, ob die Katze weiß oder schwarz sei: Hauptsache sie fange Mäuse. Ob sie das aber noch tut, scheint momentan fraglich.

Quelle: marketSTEEL; Vorschau-Foto: fotolia

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