Wir erwarten von der Politik eine verlässliche Energieversorgung
von Dagmar Dieterle-Witte

Interview mit Uwe Reinecke, General Manager von FERALPI STAHL in Riesa
marketSTEEL: Was spricht aus Ihrer Sicht für den Bau eines neuen Walzwerks in Riesa?
Das neue Walzwerk ist eine strategische Investition in die Zukunft der Stahlproduktion und ein klares Bekenntnis zum Standort Riesa. Mit mehr als 220 Millionen Euro schaffen wir die Grundlage für die Produktion von grünem Stahl. Das neue, im Scope 1 emissionsfreie Spooler-Walzwerk, wird den CO₂-Ausstoß deutlich senken und die Energieeffizienz steigern – ein entscheidender Schritt hin zur grünen Transformation und Dekarbonisierung der Stahlindustrie. Gleichzeitig entstehen über 100 neue Arbeitsplätze am Standort in Riesa.
marketSTEEL: Welche Industriezweige oder Kunden beliefert Ihr Unternehmen hauptsächlich?
FERALPI STAHL ist ein führender Hersteller von Baustählen für die Bauindustrie. Unsere Produkte kommen in großen Bauwerken wie Brücken, Tunneln, dem Hochbau (Wohnungs- und Hallenbau) und in Fundamentstrukturen beispielhaft für Windkraftanlagen vor. Ein zentrales Element unseres Angebots ist die FERGreen-Produktlinie, die für besonders nachhaltige Baustähle steht. Diese Produkte gehören zu den „Best-in-Class“-Lösungen in den Umweltproduktdeklarationen (EPDs) und zeichnen sich durch einen besonders geringen CO₂-Fußabdruck und eine hohe Materialeffizienz aus. Die Hauptmärkte von FERALPI STAHL sind Deutschland, Benelux sowie Osteuropa.
marketSTEEL: Welche Vorteile bietet Ihnen der Standort Sachsen konkret?
Riesa ist ein historisch etablierter Stahlstandort mit tief verwurzeltem Know-how und einer starken industriellen Tradition. Wir profitieren von gut ausgebildeten Fachkräften und einer zentralen Lage in Europa, die uns schnellen Zugang zu wichtigen Märkten ermöglicht.
marketSTEEL: Der Fachkräftemangel ist bundesweit spürbar – wie stellt sich die Lage in Riesa dar?
Auch wir spüren den Fachkräftemangel, besonders durch den Bau des neuen Walzwerks, das über 100 neue Industriearbeitsplätze am Standort in Riesa schafft. Damit wird die Zahl der Mitarbeitenden auf rund 950 steigen. Um diesen Bedarf zu decken, investieren wir stark in die Ausbildung, zum Beispiel auch mit einem Technical Graduate Program (TGP). Gleichzeitig setzen wir auf ein internationales Team: 12 % unserer Belegschaft stammen aus 24 verschiedenen Nationen. Wir fördern die Integration unserer Mitarbeitenden durch Sprachkurse und andere Maßnahmen.
marketSTEEL: Moderne Produktionsanlagen benötigen viel Energie – welche Erwartungen haben Sie in diesem Zusammenhang an das Land Sachsen?
Als energieintensives Unternehmen benötigen wir rund 540 Gigawattstunden Strom und über 250 Gigawattstunden Gas pro Jahr. Wir wollen unseren CO₂-Ausstoß weiter senken, aber die Verfügbarkeit von bezahlbarer grüner Energie bleibt eine große Herausforderung. Ein limitierter Industriestrompreis, ein modernes und leistungsfähiges Netz und ein transparentes wirtschaftliches Energiepreissystem sind unbedingt notwendig, um die Transformation zu grünem Stahl wirtschaftlich tragfähig zu machen.
marketSTEEL: Welche konkreten Maßnahmen oder Entscheidungen wünschen Sie sich von der Politik zur Unterstützung Ihres Unternehmens?
Wir erwarten von der Politik eine verlässliche Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen – nicht nur langfristig, sondern sofort. Dazu gehören niedrigere Netzentgelte, ein Industriestrompreis, eine Fortführung der Strompreiskompensation in ihrer aktuellen inhaltlichen Form sowie eine verlässliche Versorgung mit grünem Wasserstoff. Dieser sollte grün und preislich wettbewerbsfähig sein.
Fotos: marketSTEEL