Stahleinkauf: Trends in der Vertragsgestaltung

von Dagmar Dieterle

Grüner Stahl, Lieferkettengesetz, höhere Gewalt und Preisanpassungen werden auch weiterhin die Vertragspraxis dominieren. Der Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die wesentlichen Regelungen, die Einkäufer im Blick haben sollten.

 

Nicht nur die unruhigen letzten Jahre, sondern auch die stets wachsenden regulatorischen Vorgaben stellen steigende Anforderungen an Einkaufsverträge. Neben rechtlichen Vorgaben an die Wirksamkeit der Klauseln sind auch praktische Aspekte zu berücksichtigen, wie Compliance-Anforderungen akzeptiert und weitergegeben werden sollten.

  1. Grüner Stahl

Die jüngst in Davos bekanntgegebene Initiative von ZF, Airbus, DHL und anderen hat öffentlichkeitswirksam gezeigt, was in der Branche schon lange diskutiert und jüngst vermehrt umgesetzt wird: Zur Verringerung von Emissionen plant eine wachsende Zahl der Unternehmen, grünen Stahl einzukaufen oder setzt dies bereits (anteilig) um.

Neben Absichtserklärungen und Pflichten im Hinblick auf CO2-Emissionen wird tlw. auch eine Planung zur schleichenden Umstellung der Lieferung von herkömmlichem auf grünen Stahl in Verträge aufgenommen, wobei verpflichtende Regelungen nicht nur wegen der Preisvorstellungen und -entwicklungen kaum umsetzbar sind. Wie bei jeder Absichtserklärung sollten Unternehmen darauf achten, diese Absichten auch tatsächlich umzusetzen und durch Gespräche mit Lieferanten, interner Planung und natürlich auch Anforderungen der Kunden nach und nach zu implementieren. Dabei kann der Anteil des grünen Stahls schrittweise ausgebaut und in Anlagen der Verträge neu aufgenommen werden, so dass größere Rahmenverträge nicht immer neu aufgesetzt werden müssen.

  1. CBAM

In diesem Zusammenhang ist auch die jüngst in Kraft getretene CBAM-Verordnung (EU-VO 2023/956) zu sehen, wodurch im Prinzip eine Gleichbehandlung von CO2-Emissionen von Produkten erreicht werden soll, die inner- und außerhalb der EU produziert wurden.

Momentan bestehen zwar nur Meldepflichten für Importeure, aber ab 2026 wird der Kauf von Emissionsausgleichszertifikaten verpflichtend.

Die CBAM-Verordnung gilt zwar unmittelbar und muss daher nicht vertraglich erwähnt werden. Es macht aber Sinn, einen Verweis auf die entsprechenden Bestimmungen aufzunehmen und die sich daraus ergebenden Pflichten kurz zu erwähnen, wenn Zweifel bestehen, ob der Vertragspartner die Verordnung schon kennt. Insbesondere vom Kauf von Händlern sollte eine solche Regelung aufgenommen werden, um sicherzustellen, dass der Importeur die Meldepflichten kannte und erfüllt hat. Lieferanten sollten dementsprechend auch verpflichtet werden, die zur Erfüllung der Meldepflichten erforderlichen Informationen beizustellen.

Die Einhaltung der Anforderungen wird oftmals durch Nachweispflichten und Auditrechte abgesichert, und CBAM-Anforderungen werden tlw. auch schon in die allgemeinen Einkaufs- und Lieferbedingungen aufgenommen.

  1. Russland-Sanktionen

Die Sanktionen nach Art. 3g der EU-VO 833/2014 verbieten die Einfuhr von russischem Stahl in die EU. Diese gesetzliche Vorgabe wird tlw. auch in Verträgen abgebildet und durch Verpflichtungen bzgl. der Ursprungsnachweise ergänzt. Praktisch empfehlen sich auch Auditregelungen, um die Bestimmung effektiv durchsetzen zu können. Hier ist die tatsächliche Handhabung aber (wie in allen Compliance-Pflichten) wichtiger als die Beschreibung der vertraglichen Pflichten.

  1. Höhere Gewalt

Spätestens seit der Corona-Pandemie, aber auch in Folge des Ukraine-Krieges haben Klauseln zu höherer Gewalt (force majeure) Hochkonjunktur. Unvorhersehbare, unabwendbare Ereignisse können dazu führen, dass Verträge ausgesetzt oder beendet werden können.

In der Vertragspraxis wird aus Lieferantensicht oft versucht, die höhere Gewalt sehr weit auszudehnen (u.a. auch auf Lieferprobleme der Sublieferanten, Materialverfügbarkeit, Personal u.a.). Das ist rechtlich möglich, wenn über die jeweilige Klausel verhandelt wird – einseitige Vorgaben in Standardverträge dürften bei diesen Punkten hingegen unwirksam sein, da dies in der Regel als allgemeine Pflicht der Lieferanten und deren Beschaffungsrisiko gesehen wird. Von diesen allgemeinen Grundsätzen kann in vorformulierten Verträgen nur durch ausgehandelte Klauseln abgewichen werden, da ansonsten eine sogenannte AGB-Klausel vorliegt, für die nach deutschem Recht strenge gesetzliche Vorgaben (insbesondere zur Angemessenheit der Regelung) gelten.

Bei politischen oder wirtschaftlichen Entwicklungen stellt sich zudem immer die Frage, inwieweit diese bei Vertragsschluss absehbar war. Der Ukraine-Krieg ist bekannt und daher in der jetzigen Form keine höhere Gewalt, Ausdehnungen (auch der Sanktionen) können als Fall der höheren Gewalt durchaus vereinbart werden. Unsichere, aber nicht völlig unrealistische Entwicklungen, wie etwa ein Krieg zwischen China und Taiwan, sollten ausdrücklich als Form der höheren Gewalt aufgenommen werden, da diese sicherlich erhebliche Auswirkungen auf den Welthandel haben werden und man sich ansonsten über die Vorhersehbarkeit streiten wird.

  1. Preisanpassungsklauseln

Preisanpassungen bei Änderungen der Herstellungskosten (v.a. Material, Energie, Personal, ggfs. CO2-Abgaben) sind durchaus üblich; die Kriterien sollten natürlich klar definiert sein und können am Ende dazu führen, dass Lieferanten ihre Bücher großteils offenlegen müssen. Das wird in der Regel nur in der Form vereinbart, dass die Prüfung nur durch zur Verschwiegenheit verpflichtete Wirtschaftsprüfer erfolgen darf, die dem Einkäufer dann auch keine Details offenlegen dürfen.

Alternativ sind auch Verweise auf Indizes (etwa Großhandelspreise, Erzeugerpreise, Outokumpu o.a.) hilfreich, um die Offenlegung individueller Kalkulationen zu vermeiden und auch individuelle Kostenfaktoren auszuschließen.

Sinnvoll ist es, über eine Ausstiegsklausel bei extremen Preiserhöhungen nachzudenken. Da sich der Stahlbedarf dadurch aber nicht verändert, ist eine entsprechende Lagerhaltung und langfristige Einkaufspolitik oftmals relevanter als der tatsächliche Ausstieg aus dem Kaufvertrag auf Grund einer solchen „Hardship“-Klausel.

Auch hier sind die AGB-Anforderungen (s.o.) zu beachten, so dass eine wirksame Klausel in aller Regel die entsprechende Verhandlung erfordert. Die Verhandlungen sollten aus Sicht des Verwenders der jeweiligen Klausel auch gut dokumentiert werden, bspw. durch Vergleich der ursprünglichen und der finalen Regelung sowie Gesprächsprotokolle.

  1. Fazit

Neben „Klassikern“ wie der Preisanpassungsklausel und der höheren Gewalt führen insbesondere die regulatorischen Vorgaben zur CO2-Reduktion dazu, dass Einkaufsverträge auch im kommenden Jahr die gesetzlichen Entwicklungen wiedergeben und antizipieren sollten. Abweichungen vom gesetzlichen Leitbild sind nach wie vor vom strengen deutschen AGB-Recht geprägt und bedürfen daher der individuellen Verhandlung mit dem Vertragspartner.

 

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Fotos: Dr. Jan Henning Martens, fotolia, marketSTEEL

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