CBAM – ein Bürokratiemonster für Importeure
von unsem Gastkommentator
Die EU-Institutionen haben im Dezember eine politische Einigung zur Einführung eines CO2-Grenzausgleichs erzielt. Dieser „Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)“ wird schon am 01. Oktober 2023 mit einer Einführungsphase starten und soll dann am 01. Januar 2026 mit der Implementierungsphase scharf gestellt werden. Das neue Instrument der EU-Klimaschutzpolitik ist bislang vorwiegend unter politischen und volkswirtschaftlichen Aspekten diskutiert worden. Dagegen finden die praktischen Konsequenzen für Importeure nur wenig Beachtung. Dabei lassen die bisherigen Informationen Schlimmes befürchten. Importeure der von CBAM erfassten Erzeugnisse müssen sich auf einen erheblichen bürokratischen Aufwand einstellen. Der Import aus Drittländern wird gegenüber der bisherigen Praxis deutlich komplizierter und unberechenbarer. Unternehmen sollten jetzt mit den Vorbereitungen beginnen.
Nach langwierigen Verhandlungen haben sich EU-Parlament, Europäische Kommission und Europäischer Rat im Dezember auf die Einführung von CBAM geeinigt. Es liegt ein Entwurf für eine europäische Verordnung vor, an deren Inhalt sich bis zur formalen Veröffentlichung nur noch wenig ändern dürfte. Grundgedanke des CO2-Grenzausgleichs ist es, dass Drittlandimporten beim Grenzübergang in die EU dieselben CO2-Kosten auferlegt werden, die auch EU-Hersteller tragen müssen. Über die Sinnhaftigkeit des Instruments und über mögliche Folgen für das Welthandelssystem wurde ebenso lange gestritten wie über die einzubeziehenden Industriebranchen. Wenig berichtet wird bisher über die konkreten Auswirkungen für importierende Unternehmen, die im Folgenden beleuchtet werden.
Stahlerzeugnisse und Teile der Stahlverarbeitung von Beginn an einbezogen
Nach der erzielten Einigung werden neben anderen Bereichen nicht nur alle Erzeugnisse der Stahlindustrie, sondern auch verschiedene Branchen der Stahlverarbeitung von Beginn an in CBAM einbezogen. Dies betrifft zum Beispiel Stahlrohre, Schrauben, Erzeugnisse der Massiv- und Blechumformung, Sammelbehälter und Konstruktionsteile für den Baubereich. Die Zuordnung erfolgt anhand der achtstelligen Nomenklatur der Außenhandelsstatistik (CN-Codes). Zudem hat die EU-Kommission einen umfassenden Prüfauftrag zur möglichen späteren Erweiterung des Anwendungsbereichs erhalten. Obwohl es daneben noch weitere Prüfaufträge gibt und viele Details der Umsetzung noch nicht ganz klar sind, sind die Grundzüge der Umsetzung bereits deutlich zu erkennen.
Ab 1. Oktober 2023: „CBAM-Report“ wird für Importeure Pflicht
Bereits zum 1. Oktober 2023 startet die Einführungsphase. In dieser werden zwar noch keine Einfuhrabgaben fällig, Importeure unterliegen aber schon neuen Pflichten. Insbesondere müssen sie vierteljährlich einen sogenannten „CBAM-Report“ erstellen und an die EU-Kommission übermitteln. Neben der Menge der importierten Güter soll darin auch die Produktionsanlage des Herkunftslandes, die in das Produkt eingebetteten CO2-Emissionen pro Tonne, bei einigen Erzeugnissen zusätzlich die indirekten CO2 -Emissionen pro Tonne sowie der im Herkunftsland ggf. bereits entrichtete CO2- Preis angegeben werden. Wenn der Report nicht, fehlerhaft oder unvollständig übermittelt und auch nach Aufforderung nicht korrigiert wird, sollen Geldstrafen verhängt werden. Ergänzend sollen die nationalen Zollbehörden die Importeure auf ihre Pflichten hinweisen.
Die Erstellung des „CBAM-Reports“ dürfte in vielen Fällen nicht einfach werden, da die geforderten Informationen nicht vorliegen. Zur Frage, wie die zu meldenden CO2-Emissionen genau ermittelt werden sollen, gibt es bisher nur vage Vorgaben. Die EU-Kommission arbeitet aktuell an Verordnungen zur näheren Umsetzung. So wird überlegt, hilfsweise mit Standartwerten für einzelne Erzeugnisse und/oder Herkunftsländer zu operieren zu können. Ob rechtzeitig praktikable, realitätsgerechte Umsetzungshinweise vorliegen, muss abgewartet werden. Angesichts der vielen zu berücksichtigenden CN-Codes und Herkunftsländer dürfte die Erstellung des Reports in den Unternehmen so oder so zu einem erheblichen Mehraufwand führen. Dies ist aber nur ein Vorgeschmack auf die dann folgenden Verschärfungen.
Ab 2026 wird es richtig kompliziert
Ab dem ersten Januar 2026 dürfen die in CBAM einbezogenen Erzeugnisse nur noch von Unternehmen mit einer speziellen Anmeldeberechtigung importiert werden. Diese muss bis Ende 2024 beantragt werden. Eine entsprechende europäische Registratur soll bis dahin aufgebaut werden, in der nicht nur Importeure, sondern auch Drittland-Hersteller erfasst werden sollen. Diese können die bei der Produktion anfallenden Emissionen selbst ermitteln, müssen die Werte aber von zugelassenen Zertifizierern überprüfen lassen.
Die CBAM-Abgabe selbst wird anders als bisherige Importabgaben nicht mit einem festen Wert berechnet. Vielmehr hängt ihre Höhe von verschiedenen Faktoren ab, die sich ständig verändern können. Dazu gehören die auf das importierte Produkt entfallenden CO2-Emissionen, die für europäische Hersteller anfallenden CO2 -Kosten, der wöchentlich ermittelte CO2 Preis in der EU sowie möglicherweise bereits im Herkunftsland entrichtete CO2-Abgaben. Importeure müssen bei einer noch zu schaffenden CBAM-Behörde Zertifikate erwerben, die auch frei gehandelt werden können. In einer jährllichen CBAM-Erklärung müssen für das abgelaufene Jahr alle nötigen Informationen dargestellt werden. Details stehen auch hier noch nicht fest.
Parallel zur CBAM-Einführung wird die bisher weitgehend kostenfreie Zuteilung von EU-CO2-Emissionsrechten an die Stahlhersteller der EU schrittweise reduziert, bis 2030 bereits um 48,5%. Entsprechend wird die Höhe der CBAM-Abgabe schrittweise und zügig ebenfalls steigen.
Handlungsbedarf für Unternehmen
Die Einführung von CBAM wird für die Wertschöpfungskette Stahl in der EU weitreichende Folgen haben. Die Anforderungen an den Import von CBAM-Erzeugnissen werden sich grundlegend ändern. Die Auswirkungen auf die Warenströme und die Reaktionen der betroffenen Drittlandhersteller sind kaum vorhersehbar. Es ist davon auszugehen, dass die Einführungsphase im Oktober wie oben skizziert starten wird. Bis zur endgültigen Implementierung in knapp drei Jahren scheinen zwar noch Änderungen in Einzelfragen möglich, das Projekt insgesamt hat aber starken politischen Rückenwind.
EU-Unternehmen, die CBAM-Erzeugnisse aus Drittländern importieren, sollten daher jetzt aktiv werden. Zunächst muss geprüft werden, in welchem Umfang das eigene Unternehmen mengen- und wertmäßig betroffen ist. Ebenfalls sollte geklärt werden, welcher der im „CBAM-Report“ verlangten Informationen bereits vorliegen bzw. von wem sie gegebenenfalls bis wann beschafft werden können. Eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit Lieferanten in Drittländern und ggf. mit zwischengeschalteten Händlern ist unbedingt ratsam. Auch stellt sich die Frage, ob man unter den neuen Bedingungen selbst als Importeur tätig sein möchte oder ob eine Auslagerung der administrativen Tätigkeiten vorzuziehen ist. In den kommenden Monaten sind weitere Konkretisierungen seitens der EU zu erwarten. Auch der Informationsaustausch mit Lieferanten und ggf. Kunden wird zunehmen. Daher sollten betroffene Unternehmen intern für klare Verantwortlichkeiten sorgen.
Welchen Beitrag diese neue Stufe der europäischen Klimaschutzpolitik am Ende zur Erreichung globaler CO2-Minderungsziele leisten wird, ist schwer erkennbar. Dagegen ist bereits jetzt eines klar: Die bürokratischen Lasten, die viele mittelständische Unternehmen bereits jetzt zu erdrücken drohen, werden weiter zunehmen.
Der Beitrag stammt vom Leverkusener Stahlmarkt-Berater Andreas Schneider, StahlmarktConsult.
Foto: StahlmarktConsult und Fotolia
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