Auswirkungen des Lieferkettengesetzes auf die Stahlindustrie

von unsem Gastkommentator

Im Juli 2021 hat der deutsche Gesetzgeber das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG)) erlassen. Ziel des Gesetzes ist die Vermeidung und Reduzierung von Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette.

Das Gesetz tritt am 1. Januar 2023 in Kraft; aber bereits jetzt müssen betroffene Unternehmen Maßnahmen treffen, um Haftungsrisiken und insbesondere Zwangs- und Bußgelder in der Zukunft zu vermeiden. Der folgende Gastbeitrag gibt einen kurzen Überblick über das Gesetz und seine Relevanz für die Stahlindustrie.

Ist die Stahlbranche vom Gesetz erfasst?

Das neue LkSG gilt branchenübergreifend für alle Unternehmen, mit mehr als 3.000 Arbeitnehmern, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz in Deutschland haben. Ab dem 01. Januar 2024 sinkt diese Schwelle auf 1.000 Arbeitnehmer. Erfasst sind zudem Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften, sofern die vorbeschriebenen Schwellen bzgl. der Arbeitnehmeranzahl erreicht oder überschritten werden. Erfasst sind also auch Unternehmen der Stahlbranche, sobald sie diese Schwelle überschreiten.

Welche Maßnahmen müssen getroffen werden?

Kurz gesagt verlangt das neue Gesetz, dass Unternehmen in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten beachten, um das Risiko einer Verletzung dieser Schutzgüter zu verringern. Im Fokus steht einerseits das Risiko des Einsatzes von Kinder- oder Zwangsarbeit. Das Gesetz bezieht sich jedoch auch auf das Risiko der Missachtung grundlegender Arbeitsschutzstandards und der Koalitionsfreiheit sowie Ungleichbehandlungen aufgrund von sexueller Orientierung oder ethnischer Zugehörigkeit. Hinzukommen umweltbezogene Pflichten, die sich beispielsweise auf das Verbot von Quecksilber beziehen.

Konkret benennt das Gesetz folgende Anforderungen:

  • Die Einrichtung eines Risikomanagements;
  • Die Festlegung der betriebsinternen Zuständigkeiten, etwa die Benennung eines Menschenrechtsbeauftragten:
  • Die Durchführung jährlicher und anlassbezogener Risikoanalysen;
  • Die Abgabe einer Grundsatzerklärung, die wesentliche Elemente der Lieferketten-Compliance des Unternehmens enthält;
  • Die Verankerung angemessener Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens und gegenüber unmittelbaren Zulieferern;
  • Das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen, sobald (drohende) Verletzungen festgestellt werden;
  • Die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, das auch Personen außerhalb des Unternehmens zugänglich sein muss;
  • Die Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern;
  • Die Dokumentation der Maßnahmen und jährliche Berichterstattung.

All diese Maßnahmen sind mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden und sollten daher frühzeitig in Angriff genommen werden.

Welche Risiken drohen bei Nichtbeachtung?

Bei Verstößen gegen diese Sorgfaltspflichten sieht das Gesetz empfindliche Bußgelder vor. Diese können bis zu 800.000 Euro betragen; bei Unternehmen mit einem durch-schnittlichen Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro kann die Geldbuße sogar bis zu 2 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes betragen. Zudem können Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.

Einen zivilrechtlichen Haftungstatbestand enthält das Gesetz zwar nicht. Es bleibt aber das Risiko der allgemein deliktsrechtlichen Haftung, etwa nach §§ 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB.

Welche menschenrechtlichen Risiken bestehen in der Stahlindustrie?

Das Lieferkettengesetz stellt den Grundsatz auf, dass die Überwachung der Lieferkette dort strenger sein muss, wo Produkt oder Produktionsstätte anfälliger für menschenrechtliche Risiken ist.

Hier dürften insbesondere Geschäftsbeziehungen mit China Anlass für eine genauere Risikoanalyse sein. China ist einerseits der größte Produzent von Rohstahl. Zudem kommt auch ein erheblicher Anteil an Rohmineralien wie Nickel, die in Deutschland zur Veredelung eingesetzt werden, aus China oder von chinesischen Zulieferern.

Während bisher keine belastbaren Erkenntnisse zum Einsatz von Kinder- oder Zwangsarbeit in der chinesischen Stahlindustrie vorliegen, sind dennoch einige „red flags“ zu beachten. So gibt es in der Region Xinjiang, die wegen Menschenrechtsverletzungen im Fokus der Medien und NGOs steht, etliche Stahlwerke. Hier – aber auch in angrenzenden Provinzen – besteht insbesondere das Risiko des Einsatzes von Zwangsarbeit. Aber auch mit Blick auf Arbeitsschutzstandards und die Einhaltung von Arbeitszeithöchstgrenzen dürften chinesische Stahlwerke einer genaueren Überprüfung bedürfen. Aufgrund der Berichtslage über die Problemfelder in China sollte hier also insgesamt von einer strengeren Kontrolldichte deutscher Unternehmen auszugehen sein.

Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags kommt sogar zu dem Ergebnis, dass das LkSG einen Abbruch der Geschäftsbeziehungen mit chinesischen Zulieferern „fast unausweichlich“ mache. Während der Abbruch von Geschäftsbeziehungen die ultima ratio ist und von Unternehmen nur in Ausnahmefällen zu erwarten sein dürfte, so sollte diese Aussage jedenfalls das Problem klar vor Augen führen: gegenüber chinesischen Zulieferern gelten besondere Sorgfaltspflichten.

Welche Pflichten sind beim Export in die USA zu beachten?

Menschenrechte in der Lieferkette sind nicht nur in den Fokus des deutschen Gesetzgebers gerückt. Neben vergleichbaren Regelungen in anderen europäischen Ländern (v.a. Großbritannien und Frankreich) existieren insbesondere in den USA Gesetze zur Bekämpfung von Zwangs- und Kinderarbeit. Die US-Regierung führt zudem eine Liste von Gütern, die im Zusammenhang mit Kinder- und Zwangsarbeit stehen. Diese Gesetze sind für deutsche Unternehmen relevant, da nach dem US-Zollgesetz die Einfuhr von Gütern verboten ist, die ganz oder teilweise durch Zwangs- oder Kinderarbeit hergestellt wurden. Erhält die Zollbehörde (US Customs and Border Protection) Kenntnis von Tatsachen, die auf einen Verstoß gegen das Verbot hindeuten, können die Güter an der Grenze festgehalten oder sogar eingezogen werden. Produkte der Stahlindustrie finden sich momentan zwar nicht auf der Liste der US-Regierung. Um die Einhaltung der Einfuhranforderungen zu dokumentieren, ist jedoch ein ‚Certificate of Origin‘ des Verkäufers bzw. Herstellers sowie eine Stellungnahme des Importeurs vorzuweisen.

Auch in den USA drohen neben den genannten Einfuhrbeschränkungen Bußgelder oder Strafverfahren für Unternehmen, die von Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren; insbesondere ist dazu ein Unternehmenssitz in den USA nicht erforderlich. Zur Begründung der Strafbarkeit genügt zudem bereits grob fahrlässige Unkenntnis des Einsatzes von Kinder- oder Zwangsarbeit. Eine umfassende due diligence-Prüfung hinsichtlich der Einhaltung von Menschenrechten entlang der Lieferkette ist daher auch mit Blick auf den Export in die USA unerlässlich.

mehr Informationen: Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB

Fotos: Noerr/Dr. Mansur Pour Rafsendjani  und fotolia

 

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