Vier Industrieverbände fordern: „Kein Energieembargo und sofortige Entlastung für Unternehmen“

von Angelika Albrecht

Sechsmal höhere Arbeitspreise für Strom, viermal höhere für Gas als Anfang 2021 – dazu Preisanstiege bei Stahl und Aluminium von bis zu 80 Prozent. Vier Industrieverbände schicken in der dramatischen Kostenkrise einen Brandbrief an die Minister Lindner und Habeck. Ein Alarm kurz vor dem Motorenausfall: Energieprobleme, knappes und überteuertes Vormaterial, Lieferantenausfälle und Kundenstillstände treiben mittelständische Unternehmen in den Untergang.

Die Industrieverbände Massivumformung (IMU) und Blechumformung (IBU), der Deutsche Schraubenverband (DSV) und die Fachvereinigung Kaltwalzwerke (FVK) fordern daher: „Kein Energieembargo und sofortige finanzielle Entlastung der Unternehmen.“ „Die Situation erlaubt kein Abwarten“, bekräftigt IMU-Geschäftsführer Tobias Hain.

Kein Gasstopp: Er träfe deutsche Wirtschaft und Bevölkerung – alternative Energien schaffen absehbar keine Kompensation

IMU, IBU, DSV und FVK begrüßen die Regierungsbemühungen um alternative Gasbezugsquellen angesichts des Ukraine-Konfliktes, sind aber realistisch. Martin Kunkel, Geschäftsführer des FVK: „Absehbar ist, dass diese kurzfristig keinen Bezugsstopp aus Russland kompensieren können. Das Energieembargo träfe unsere Wirtschaft und Bevölkerung. Wir bitten die Politik darum, entschieden dagegen einzutreten und zugleich konsequent Alternativen aufzubauen.“

Schluss mit EEG-Umlage, CO₂-Preis, Energiesteuern und Merit-Order-System

In ihrem Brandbrief fordern die Verbände zudem die Abschaffung der EEG-Umlage ohne Haushaltsvorbehalt und ohne neue bürokratische Hürden. Die Politik soll den CO₂-Preis temporär aussetzen. Sie soll Energiesteuern auf das europäische Mindestniveau reduzieren und die Merit-Order-Systematik auflösen, die Energieverbraucher mit den Kosten des teuersten Energieträgers belastet.

Keine Safeguards und gerechter Ausgleichsmechanismus CBAM – Stahlverarbeiter beschäftigen rund 430.000 Menschen

Auf EU-Ebene plädieren IMU, IBU, DSV und FVK gegen die Safeguards für Stahl und Aluminium und für eine gerechte Ausgestaltung des europäischen Ausgleichsmechanismus (CBAM): „Beides muss Stahlverarbeiter und -produzenten gleichermaßen berücksichtigen. Die verarbeitenden Unternehmen beschäftigen in Deutschland rund 430.000 Menschen, die profitierenden Vormaterialhersteller nur circa 72.000“, so IBU-Geschäftsführer Bernhard Jacobs.

Nur schnelles Handeln sichert Wandel und Fortbestand der Unternehmen

Schon vor Beginn des Ukraine-Konflikts hatten die Unternehmen es schwer: Massive Energiekosten belasten schon länger, die Vormaterialbeschaffung stockt. „Die sich immer weiter zuspitzende Misere trifft sie obendrein in einem der größten Transformationsprozesse der Industriegeschichte“, betont DSV-Geschäftsführer Hans Führlbeck. „Wir tragen die deutschen und europäischen Klimaschutzziele mit, aber die aktuelle Kostenkrise übersteigt die Umsetzungsmöglichkeiten der überwiegend mittelständisch geprägten Unternehmen.“ Die Verbände appellieren an Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck und Finanzminister Lindner, schnell zu handeln, um die Betriebe zu sichern: „Nur so bekommen Unternehmen jetzt ausreichend Stabilität für den begonnenen Wandel und zur Sicherung ihres Fortbestandes“, unterstreicht Tobias Hain.

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KURZPROFIL: Industrieverband Massivumformung e. V. (IMU)

Der Industrieverband Massivumformung ist der deutsche Fachverband der Branche. 250 Unternehmen betreiben Massivumformung in Deutschland. Gemeinsam bilden sie einen starken Wirtschaftsfaktor: 3 Millionen Tonnen Material verändern ihre Form beim Gesenkschmieden, Kaltfließpressen, Freiformschmieden und Ringwalzen. Massivumformung ist vor Ort: In vielen Regionen Deutschlands und damit im direkten Umfeld entstehen so hochwertige Produkte im Gesamtwert von jährlich 9 Milliarden Euro. Damit ist Deutschland in dieser wichtigen Industriesparte der Marktführer Europas und die Nummer 2 weltweit.

KURZPROFIL: Industrieverband Blechumformung e.V. (IBU)
Der IBU in Hagen vertritt als Bundesverband circa 240 Mitgliedsunternehmen der blechumformenden Industrie und deren Zulieferer. Diese überwiegend aus mittelständischen Familienunternehmen bestehende Branche wird durch eine industrielle Fertigung für marktmächtige Kunden geprägt. Das Umsatzvolumen der Branche betrug im Jahr 2020 rund 17,41 Milliarden Euro. Die Verbandsmitglieder sind mehrheitlich Zulieferer der Automobil- und Elektronikindustrie, des Maschinen- und Anlagenbaus, der Möbel- und Bauindustrie sowie der Medizintechnik.

KURZPROFIL: Fachvereinigung Kaltwalzwerke e. V.

Die Fachvereinigung Kaltwalzwerke e. V. (FVK) ist der deutsche Fachverband der Hersteller von kaltgewalzten Bandstählen in allen Ausführungen, vergütbar, vergütet oder oberflächenveredelt. Die deutsche Kaltwalzindustrie ist ausgesprochen mittelständisch geprägt und hat ca. 6.500 Beschäftigte. Kaltband wird vielfältig eingesetzt: Automobilindustrie, Elektro, Eisen-, Blech- und Metallverarbeitung, Feinmechanik, Rohre, Kaltprofile, Möbel, Haushaltsgeräte und vieles mehr.


KURZPROFIL
: Deutscher Schraubenverband e.V.

Der Deutsche Schraubenverband e.V. in Hagen vertritt die Interessen der deutschen Schrauben-, Muttern- und Nietehersteller. Dem Verband gehören 53 mittelständisch geprägte Produktionsunternehmen an. Daneben bilden 75 assoziierte Mitgliedsfirmen die gesamte Prozesskette im Rahmen der Herstellung mechanischer Verbindungselemente ab. Die Verbandsunternehmen erwirtschaften ein jährliches Umsatzvolumen von ca. 1,8 Mrd. Euro und verarbeiten über 500.000 Tonnen Walzdraht p. a. Schrauben, Muttern und Niete werden in fast allen Bereichen der industriellen Fertigung von Wirtschaftsgütern eingesetzt. Mit seiner Schraubfachakademie bietet der Deutsche Schraubenverband e.V. eine anerkannte Weiterbildung zum Schraubfachtechniker (DSV)® und Schraubfachingenieur (DSV)® an.


Quelle und Vorschaubild:
Industrieverband Massivumformung e. V. (IMU)

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