Stabiler Außenhandel und Wirtschaftspolitik mildern Folgen des Lockdowns

von Hubert Hunscheidt

Das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung geht davon aus, dass die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 5,4 Prozent zurückgeht. Im September hatte es noch einen Rückgang von 4,7 Prozent erwartet. Grund für die Revision ist der erneute Lockdown zum Jahresende. Er sorgt mit dafür, dass die Produktion laut RWI-Prognose im vierten Quartal um 1,7 Prozent zurückgeht. Der Rückgang wäre deutlich stärker, wenn nicht ein günstiges internationales Umfeld und wirtschaftspolitische Maßnahmen die deutsche Konjunktur stützen würden. Für 2021 prognostiziert das RWI statt 4,5 jetzt 4,9 Prozent Wirtschaftswachstum, für 2022 einen Anstieg von 2,8 Prozent. Die Arbeitslosenzahlen werden zunächst steigen und erst im Verlauf des kommenden Jahres wieder sinken. Die Arbeitslosenquote wird 2021 bei 5,9 Prozent, 2022 bei 5,4 Prozent liegen. Die Inflationsrate dürfte im nächsten Jahr 1,5 Prozent, im übernächsten Jahr 1,7 Prozent betragen. Die öffentlichen Haushalte werden in diesem Jahr mit einem Rekorddefizit von 166 Milliarden Euro abschließen. Es wird 2021 auf etwa 144 Milliarden Euro, 2022 auf 90 Milliarden Euro sinken.

Das Wichtigste in Kürze:

Das RWI erwartet in seiner aktuellen Konjunkturprognose für 2020 einen Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 5,4 Prozent und damit um 0,7 Prozentpunkte mehr als in seiner Prognose vom September dieses Jahres. Für 2021 erwartet das RWI statt 4,5 jetzt 4,9 Prozent BIP-Wachstum. Für 2022 hebt das Institut seine Prognose von 2,3 Prozent auf 2,8 Prozent Wirtschaftswachstum an.

Der harte Lockdown zum Ende des Jahres lässt die Wirtschaftsleistung erneut zurückgehen. Sie dürfte im vierten Quartal um insgesamt 1,7 Prozent sinken, allerdings wohl nicht so stark wie im Frühjahr dieses Jahres. Dies vor allem, weil das internationale Umfeld deutlich günstiger ist als im Frühjahr und die Auslandsnachfrage die heimische Produktion stützt. Hinzu kommt, dass bestehende und neue wirtschaftspolitische Maßnahmen die Folgen der Beschränkungen mildern.
Von den Nachfragekomponenten dürfte der private Konsum den neuerlichen Lockdown am stärksten spüren, wenn auch schwächer als im Frühjahr dieses Jahres. Die Wirtschaftszweige sind unterschiedlich stark betroffen. Das Produzierende Gewerbe wird sich wohl weiter erholen. Die Dienstleistungen hingegen werden stark von den neuerlichen Lockdown-Restriktionen betroffen.

Durch die Verschärfung des Lockdowns ist zu erwarten, dass die Zahl der Arbeitslosen wieder steigen wird. Erst mit der Lockerung der Infektionsschutzmaßnahmen im Verlauf des kommenden Jahres dürfte die Arbeitslosigkeit allmählich wieder zurückgehen. Da sich viele Unternehmen nur langsam von den Einschränkungen im Zuge der Corona-Krise erholen werden, dürften sie sich mit Neueinstellungen zurückhalten. Zudem wird aller Voraussicht nach der zu erwartende Anstieg der Zahl der Insolvenzen zu Beginn des kommenden Jahres den Arbeitsmarkt belasten. Die Arbeitslosenquote dürfte 2021 bei 5,9 Prozent, 2022 bei 5,4 Prozent liegen.

Die Preisentwicklung wird derzeit von der Senkung der Mehrwertsteuersätze geprägt. Seit Juli sind die Preise gemessen am Verbraucherpreisindex um knapp 0,8 Prozent zurückgegangen. Das ist etwa halb so stark, wie zu erwarten gewesen wäre, wäre die Mehrwertsteuersenkung vollständig weitergegeben worden. Dem entsprechend dürften die Preise zu Beginn des kommenden Jahres allmählich steigen, wenn die Mehrwertsteuersätze wieder angehoben werden. Die Inflationsrate dürfte 2021 bei 1,5 Prozent, 2022 bei 1,7 Prozent liegen.

Die öffentlichen Haushalte werden in diesem Jahr wohl mit einem Rekorddefizit von 166 Milliarden Euro abschließen. Im kommenden Jahr werden die Staatseinnahmen im Zuge der wirtschaftlichen Erholung aller Voraussicht nach kräftig steigen. Gleichwohl wirken die Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags, die Erhöhung des Grundfreibetrags der Einkommensteuer und die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag einnahmemindernd. Hinzu kommen Ausgabe für Corona-Überbrückungshilfen und die Erstattung von Arbeitnehmerbeiträgen für Kurzarbeiter. Schließlich wird im kommenden Jahr im Zuge des Klimapakets von 2019 sowie des Konjunkturprogramms die EEG-Umlage gesenkt. Das Defizit der öffentlichen Haushalte dürfte sich damit im kommenden Jahr auf etwa 144 Milliarden Euro belaufen. Im Jahr 2022 dürfte das Defizit der öffentlichen Haushalte weiter auf 90 Milliarden Euro sinken. Die Schuldenstandsquote nach Maastricht-Abgrenzung wird in diesem Jahr von 60 auf etwa 70 Prozent des BIP ansteigen und in den Folgejahren aufgrund der wirtschaftlichen Erholung wieder zurückgehen.

Der aktuellen RWI-Konjunkturprognose liegt die Annahme zugrunde, dass die Anzahl der Corona-Neuinfektionen durch den erneuten Lockdown deutlich gesenkt werden kann, so dass die Maßnahmen vom Dezember bereits Mitte Januar zumindest schrittweise wieder aufgehoben werden können. Zudem wird angenommen, dass das Infektionsgeschehen mit Beginn des Frühjahrs durch Impfungen und vermehrte Aktivitäten im Freien abnimmt und der vermehrte Einsatz von Schnelltests die Ausbreitung der Infektionen dämpft. Trifft all dies zu, dürfte die Wirtschaftsaktivität zum Ende des kommenden Jahres das Vorkrisenniveau erreichen.

Zur aktuellen wirtschaftlichen Situation sagt RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt: „Die stabile Auslandsnachfrage und wirtschaftspolitische Maßnahmen sorgen dafür, dass die deutsche Wirtschaft vom aktuellen harten Lockdown weniger stark getroffen wird als vom ersten im Frühjahr dieses Jahres. Die wirtschaftliche Entwicklung im kommenden Jahr wird stark vom weiteren Verlauf der Pandemie abhängen, sowohl in Deutschland als auch international.“

Quelle: RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung e.V. / Foto: marketSTEEL

Zurück