Gute Geschäftslage, aber neue Pandemiesorgen im Mittelstand

von Hubert Hunscheidt

Stimmung im Mittelstand erhält einen Dämpfer

Lange kannte das mittelständische Geschäftsklima nur den Weg nach oben. Jetzt erhält es einen Dämpfer und geht zum ersten Mal seit Januar wieder zurück. Ursächlich für den Rückgang um 2,6 Zähler (auf 9,5 Saldenpunkte) sind vor allem Sorgen über die rasante Ausbreitung der Delta-Variante und die wieder deutlich steigenden Neuinfektionszahlen. Das Geschäftsklima unter den kleinen und mittleren Unternehmen sinkt allein erwartungsbedingt, während sich die Lagebeurteilung leicht verbessert.

  • Die Lageurteile steigen zum sechsten Mal in Folge. Die Veränderung ist dabei mit +0,6 Zählern naturgemäß inzwischen deutlich geringer als in den beiden Vormonaten, wo es für einige Unternehmen durch die Aufhebung der coronabedingten Einschränkungen steil nach oben ging. Mit 11,2 Punkten liegt die Lagebeurteilung mittlerweile klar über dem durch die Nulllinie bestimmten langfristigen Durchschnitt, von vergangenen Rekordwerten (29,6 im August 2018) ist sie allerdings weit entfernt.
  • Gleichzeitig korrigieren die Mittelständler ihre Geschäftserwartungen auf Sicht von sechs Monaten deutlich um 5,6 Zähler nach unten. Mit jetzt 7,6 Saldenpunkten überwiegt zwar weiterhin der Optimismus. Die Euphorie des Vormonats ist aber verflogen.

Weniger Optimismus auch in den Großunternehmen

Auch in den Großunternehmen ist nachlassender Optimismus (-4,6 Zähler) für einen leichten Rückgang des Geschäftsklimas um -1,2 Punkte verantwortlich, während die Lagebeurteilung hier ebenfalls zunimmt (+2,6 Zähler). Mit 11,7 Punkten bleibt das Geschäftsklima dennoch eindeutig überdurchschnittlich. Vor allem das Verarbeitende Gewerbe ist mit 27,0 Punkten hervorragend gestimmt und verzeichnet auch eine Verbesserung zum Vormonat (+2,1 Zähler), die unter anderem mit gestiegenen Exporterwartungen zusammenhängen dürfte (+3,3 Zähler). Bei den großen Einzelhandelsunternehmen und Dienstleistern gibt die Stimmung dagegen nach.

Vor allem die Dienstleister sind besorgt

Mit Blick auf die Entwicklung des mittelständischen Geschäftsklimas in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen fällt auf, dass die jüngste Stimmungseintrübung vor allem auf die Dienstleistungsunternehmen zurückgeht. Hier sind die Geschäftserwartungen stark gesunken (-7,8 Zähler), während sich die Lagebeurteilung nach einem Sprung im Vormonat nochmals leicht verbessert hat (+0,7 Zähler). Da sich in diesem großen Segment viele der in der Vergangenheit besonders von Eindämmungsmaßnahmen betroffenen Branchen, wie das Gastgewerbe, Reiseverkehr oder die Freizeitwirtschaft befinden, dürften hinter dem Stimmungsrückgang
vor allem die Sorgen über die wieder rasant ansteigenden Neuinfektionszahlen in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern stehen. Entspannter sehen das aber offenbar die mittelständischen Einzelhändler, die nochmals optimistischer in die Zukunft schauen und auch eine erneute Verbesserung ihrer ohnehin schon guten Geschäftslage melden. Auch im Großhandel steigt das Geschäftsklima, wobei sich hier allerdings nur die Lagebeurteilung verbessert.

Neben der Pandemie sind Materialknappheiten derzeit das andere große Problem für die deutsche Konjunkturentwicklung. Sie betreffen vor allem das Verarbeitende Gewerbe und das Baugewerbe; die mittelständischen Unternehmen in diesen Bereichen verzeichnen im Juli aber dennoch eine erneute Verbesserung ihrer Geschäftslage und auch das Geschäftsklima insgesamt steigt leicht um 1,0 Zähler (Verarbeitendes Gewerbe) und 0,3 Zähler (Bauhauptgewerbe). Ein negatives Signal kommt in diesem Zusammenhang jedoch von den Geschäftserwartungen, die vor allem im Verarbeitenden Gewerbe nachlassen. Die Absatzpreiserwartungen der mittelständischen Unternehmen, die angesichts der Knappheiten und einer starken Nachfrage im Vormonat ein neues Allzeithoch erreicht haben, gehen im Juli leicht zurück.

Erholung dürfte weitergehen

Insgesamt zeugen die Ergebnisse des KfW-ifo-Mittelstandsbarometers von einer anhaltend guten Geschäftslage im Mittelstand bei weniger optimistischen Geschäftserwartungen als noch im Vormonat. Vor allem die wieder steigenden Inzidenzen bereiten den Dienstleistungsunternehmen Sorgen, denn es ist noch unklar, wie die Politik damit umgehen wird. Mit dem konsequenten Einsatz von Impfungen, Tests und Masken dürften pauschale Schließungen von Geschäften, Hotels oder Restaurants mittlerweile vermeidbar sein.

Das Tempo weiterer Öffnungen wird aber wohl gedrosselt und die Infektionswellen in anderen Ländern oder Arbeitsausfälle aufgrund von Quarantäneanordnungen könnten die Angebotsengpässe weiter verschärfen. Im Verarbeitenden Gewerbe ächzt es indes wegen Materialengpässen schon seit Jahresbeginn im Getriebe und die Industrieproduktion war tendenziell rückläufig. Wichtiger für die Lagebeurteilung sind aber offenbar die prallgefüllten Auftragsbücher, weshalb die Entwicklung des Geschäftsklimas derzeit kaum Schlüsse auf die unmittelbare Produktionsentwicklung zulässt. Die Angebotsengpässe dürften auch im laufenden Quartal noch bremsen.

Doch allein die schon erfolgten Öffnungen im Dienstleistungssektor in Kombination mit einem Nachholbedarf bei den Verbrauchern werden voraussichtlich für ein solides Wachstum ausreichen. Darüber wie es im Herbst weitergeht, entscheidet dann insbesondere der Impffortschritt der nächsten Monate.

Quelle: KfW / Foto: marketSTEEL

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