Green Deal: Deutsche Ökonomen zweifeln an unilateralem CO2-Grenzausgleich

von Hubert Hunscheidt

In einem Gutachten zum CO2-Grenzausgleichsmechanismus rät der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie der Europäischen Union, sich mit Partnern weltweit auf eine einheitliche Bepreisung von CO2 zu einigen. Innerhalb des so entstehenden "Klimaclubs", wie es in dem Bericht heißt, würde der CO2-Grenzausgleich nicht angewandt. Ein unilaterales Vorgehen der EU halten die Wissenschaftler für kontraproduktiv.

Die Europäische Kommission plant, im Juni 2021 als Teil des Green Deal einen Gesetzgebungsvorschlag für einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus vorzulegen. Waren, die in den europäischen Binnenmarkt importiert werden, sollen mit einem CO2-Preis belegt werden, der sich an den Kosten des europäischen Emissionshandels (EU ETS) orientiert. So sollen Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen, deren Emissionen bepreist werden, vermieden werden. Inwiefern auch Exporte aus der EU in ein CO2-Grenzsausgleichssystem miteinbezogen werden, ist neben vielen weiteren Fragen noch unklar.

Einunilaterales Vorgehen würde aus Sicht der Wissenschaftler einerseits Handelsstreitigkeiten erzeugen. Andererseits wird in dem am 22. März 2021 veröffentlichten Gutachten bezweifelt, dass ein solcher Alleingang der EU tatsächlich Carbon Leakage verhindern und so die Wirksamkeit der europäischen und globalen Klimapolitik sicherstellen würde. Carbon Leakage beschreibt die Verlagerung von Wertschöpfung und CO2-Emissionen aus Ländern mit klimapolitisch bedingt hohen Energie- und CO2-Kosten in Staaten mit weniger strengen Auflagen und geringerer CO2-Bepreisung.

Konkret fürchten die Wissenschaftler, dass im Falle einer unilateralen Einführung des CO2-Grenzausgleichs durch den Rückgriff auf Benchmarks zur Berechnung des CO2-Gehalts der Importgüter für Produzenten aus Drittländern nur ein geringer Anreiz bestünde, die eigenen Emissionen zu reduzieren. In vielen Fällen würden ausländische Wettbewerber, deren CO2-Emissionen über dem Benchmark liegen, weiter einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Unternehmen aus der EU genießen, wodurch Carbon Leakage verursacht würde.

Zudem könne der Grenzausgleich indirektes Carbon Leakage nicht mindern. Der Rückgang der Nachfrage nach fossilen Energieträgern senke deren globalen Preise, was wiederum eine erhöhte Nachfrage nach diesen außerhalb der EU und damit assoziierte CO2-Emissionen erzeuge. Die Wissenschaftler bezweifeln ferner, dass sich eine Entlastung europäischer Exporte im Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation umsetzen ließe, und rechnen mit einer erhöhten Gefahr für Handelsstreitigkeiten. Europäische Hersteller würden daher auf Märkten in Drittländern Marktanteile an Wettbewerber verlieren, die oft CO2-intensiver produzieren.

Vor diesem Hintergrund rät der wissenschaftliche Beirat der EU, die Einführung eines CO2-Grenzausgleichs mit wichtigen Handelspartnern abzustimmen. Vereinbart werden müsse eine gemeinsame Bepreisung von CO2 in einem "Klimaclub" von Ländern, die im zwischenstaatlichen Handel dann keine CO2-Ausgleichsmechanismen anwenden würden. Diese würden sich auf den Handel mit nicht kooperationswilligen Ländern beschränken, für die dadurch ein Anreiz zum Beitritt zum Klimaclub entstünde.

Quelle: DIHK | Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V. / Foto: marketSTEEL

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