Debatte über Stopp von russischen Öl- und Gaslieferungen setzt sich fort

von Angelika Albrecht

Die Ölpreise explodierten zu Wochenbeginn regelrecht. Brent sprang nach Meldungen der Commerzbank kurz nach Handelseröffnung auf 139 USD je Barrel und erreichte damit das höchste Niveau seit Juli 2008. In der Folge fiel der Preis wieder etwas.

Auslöser für die Preisexplosion sind Überlegungen des Westens, angesichts des Krieges in der Ukraine die Einfuhr von russischem Öl zu stoppen. US-Außenminister Blinken hat diese Möglichkeit am Wochenende ins Spiel gebracht. Die Commerzbank berichtet unter Berufung auf Reuters und auf zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen, dass die USA diesen Schritt auch ohne Beteiligung der europäischen Verbündeten gehen würden. Die USA importierten im letzten Jahr laut US-Energiebehörde EIA durchschnittlich knapp 700 Tsd. Barrel Rohöl und Ölprodukte pro Tag aus Russland. Diese Menge ließe sich durch alternative Anbieter ersetzen.

Für die Europäer wäre das deutlich schwieriger, was ihre Zurückhaltung erklärt. Laut den Rohstoff-Experten der Commerbank bezieht die EU ein Drittel ihres Rohöls aus Russland. Zudem importiert die EU auch Diesel aus Russland, was die heftige Marktreaktion bei Brent und Gasöl erklärt.

Alternativländer für Öl-Lieferungen

Solange die USA keine Sekundärsanktionen verhängen und damit andere Länder dazu zwingen, ebenfalls kein Öl aus Russland mehr zu importieren, wäre nach Meinung der Commerzbank der Einfluss eines US-Alleingangs begrenzt. Für zusätzliches Ölangebot könnte die Aufhebung der Ölsanktionen gegen den Iran sorgen. Eine Einigung in den Atomverhandlungen schien am Wochenende greifbar nahe, ehe neue Hindernisse aufkamen. So verlangt Russland eine Garantie der USA, dass die verhängten Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts keine negativen Auswirkungen für den russischen Handel mit dem Iran haben. Die Frage ist, ob eine Einigung mit dem Iran notfalls auch ohne Russland möglich ist und wie Moskau darauf reagieren würde.

Angesichts der gegenwärtigen außergewöhnlichen Situation versuchen die USA offensichtlich auch mit Venezuela wieder ins Gespräch zu kommen. Am Wochenende gab es nach Meldungen der Commerzbank ein erstes Treffen hochrangiger Vertreter beider Seiten in Caracas. Aufgrund der US-Sanktionen gegen das Maduro-Regime ist die Ölproduktion Venezuelas auf deutlich unter 1 Mio. Barrel pro Tag gefallen. Bis vor fünf Jahren lag sie noch bei mehr 2 Mio. Barrel pro Tag. Ob und wann es zu einer Aufhebung der Sanktionen kommt, kann man im Moment noch nicht abschätzen.

Energie: Auf (und Ab) am europäischen Gasmarkt

Am europäischen Gasmarkt bleibt die Angst vor Versorgungsausfällen groß. Der Erdgaspreis stieg am Freitag um mehr als 40% und ging bei 204 EUR je MWh auf einem Allzeithoch aus dem Handel. Gestern kletterte der Preis um weitere 65% auf 335 EUR.

Es gab Spekulationen, ob die Europäer von sich aus auf die Einfuhr von russischem Gas verzichten. Bundeskanzler Scholz hatte gestern Nachmittag jedoch verlauten lassen, dass keine Sanktionen gegen russische Energielieferungen beabsichtigt würden, auch weil diese auf Dauer nicht durchzuhalten seien. Der Preis für TTF fiel infolgedessen von seinem Rekordhoch bei 335 EUR bis zum Handelsschluss auf 212 EUR per MWh zurück.

Gestern Abend aber drohte dann der russische Vizeministerpräsident Nowak, dass Russland als Gegenmaßnahme auf die Sanktionen den Gasfluss über Nord Stream 1 stoppen könnte. Durch diese Pipeline flossen im letzten Jahr mit knapp 60 Mrd. Kubikmeter rund 40% der russischen Gasimporte der EU (Pipeline und LNG).

Angstverbreitung als Strategie?

Daten zu den Knotenpunkten zeigen, dass das Gas durch diese Pipeline bis gestern weiter normal geflossen ist. Dennoch steht jetzt die Drohung eines Lieferstopps von russischer Seite im Raum und die Parteien setzen sich zunehmend unter Zugzwang: Schließlich wirkt (kurzfristig) derjenige „stark“, der die Sanktionen verhängt, und schwach der, der von ihnen erwischt wird. Auch deshalb laufen die Bemühungen in Europa auf Hochtouren, von russischem Gas unabhängiger zu werden: Heute will die EU einen Plan präsentieren, wie die Abhängigkeit von russischem Gas binnen eines Jahres massiv zu reduzieren ist.


Quelle: Commerzbank Commodity Research / Vorschaubild: Fotolia

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