Corona-Maßnahmen und Lieferengpässe dämpfen Entwicklung der deutschen Wirtschaft

von Hubert Hunscheidt

Für 2022 prognostiziert das RWI nun 3,9 statt 4,9 Prozent Wirtschaftswachstum. Grund für die Revision sind erneute Corona-Infektionsschutzmaßnahmen und die länger anhaltenden internationalen Lieferengpässe. Für 2023 wird ein Anstieg von 2,5 Prozent erwartet. Die Arbeitslosenquote wird 2022 auf 5,2 Prozent sinken und 2023 nochmals leicht auf 5,1 Prozent zurückgehen. Die Inflationsrate dürfte im nächsten Jahr auf 2,6 Prozent fallen, im übernächsten Jahr weiter auf 2,2 Prozent abnehmen. Das Defizit der öffentlichen Haushalte wird in diesem Jahr mit gut 141 Milliarden Euro ähnlich hoch wie im Vorjahr ausfallen. Es wird 2022 kräftig auf gut 49 Milliarden Euro, 2023 noch weiter auf gut 41 Milliarden Euro zurückgehen.

Das Wichtigste in Kürze:

Das RWI erwartet in seiner aktuellen Konjunkturprognose für 2021 einen Anstieg des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,8 Prozent und damit um 0,7 Prozentpunkte weniger als in seiner Prognose vom September dieses Jahres. Für 2022 erwartet das RWI statt 4,9 jetzt 3,9 Prozent BIP-Wachstum. Für 2023 hebt das Institut seine Prognose von 1,2 Prozent auf 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum an.

Die deutsche Wirtschaft hat sich im Sommerhalbjahr zunächst weiter von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise erholt. Angesicht erneuter Einschränkungen, nicht zuletzt durch die 2G-Regeln im Handel und in den kontaktintensiven Dienstleistungen, dürfte die wirtschaftliche Erholung von der Corona-Pandemie jedoch im Winterhalbjahr erneut spürbar gedämpft werden. Da die Lieferengpässe sich etwas abgeschwächt haben und die Infektionsschutzmaßnahmen nur Teile der Bevölkerung betreffen, wird der Rückgang der Wirtschaftsleistung allerdings wohl schwächer ausfallen als zu Beginn dieses Jahres. Ab dem Frühjahr ist zu erwarten, dass sich die Lage wieder entspannt, wenn die Zahl der Neuinfektionen zurückgeht.

Die erneute Verschärfung der Infektionsschutzmaßnahmen dürfte auch den zuletzt kräftig ausgeweiteten privaten Konsum erneut dämpfen. Zudem wird er recht spürbar von den Lieferengpässen belastet, die auch im ersten Quartal 2022 und darüber hinaus bestehen bleiben dürften. Erst im zweiten Quartal des kommenden Jahres werden die Konsumausgaben das Vorkrisenniveau wohl wieder überschreiten. Die schwache Konsumneigung liegt dabei auch an der anziehenden Teuerung. Das hohe Preisniveau drückt die real verfügbaren Einkommen und dürfte dazu beitragen, dass deutlich weniger größere Anschaffungen getätigt werden.

Auch der Arbeitsmarkt ist geprägt von dem Duett aus Corona-Maßnahmen und Lieferengpässen. Insbesondere das Gastgewerbe und die Industrie sind hierdurch derzeit von Kurzarbeit betroffen. Im Verlauf des kommenden Jahres dürften diese Härten jedoch überwunden werden und die Zahl der Menschen in konjunktureller Kurzarbeit zum Jahresende 2022 wieder auf dem Vorkrisenniveau liegen. Insgesamt dürfte die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2022 auf 5,2 Prozent sinken und im Jahr 2023 nur noch leicht auf 5,1 Prozent zurückgehen.

Die Verbraucherpreise sind im Verlauf dieses Jahres kräftig gestiegen. Dies liegt zum einen an Einmalfaktoren wie der Mehrwertsteuererhöhung und der Einführung einer CO2-Abgabe für fossile Brennstoffe zum Anfang des Jahres. Zum anderen sind die Energiepreise kräftig gestiegen. Zudem haben sich im Laufe des Jahres auch die Preise von Rohstoffen und Vorprodukten erhöht. Die Preise einiger Roh-stoffe sinken jedoch bereits wieder. Insgesamt ist zu erwarten, dass die Preissteigerung von 3,2 Prozent in diesem Jahr auf 2,6 Prozent im kommenden und 2,2 Prozent im Jahr 2023 zurückgehen wird.

Das Defizit der öffentlichen Haushalte dürfte im laufenden Jahr mit gut 141 Milliarden Euro ähnlich hoch wie im Vorjahr ausfallen. Auch wenn eine Reihe steuerlicher Maßnahmen, etwa die Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags, die Staatseinnahmen mindert, steigen sie insgesamt im Zuge der wirtschaftlichen Erholung deutlich an. Allerdings sind im Zusammenhang mit der Corona-Krise auch die Staatsausgaben nochmals stark gestiegen. Im Jahr 2022 dürfte das staatliche Finanzierungsdefizit mit knapp 49 Milliarden Euro deutlich geringer ausfallen. Die Staatseinnahmen dürften im Zuge der weiteren wirtschaftlichen Erholung nochmals stark zulegen und die Staatsausgaben zurückgehen, weil viele krisenbezogene Maßnahmen auslaufen. 2023 dürfte das Finanzierungsdefizit des Staates gut 41 Milliarden Euro betragen. Die Staatsausgaben dürften dann wieder steigen, wenn auch aufgrund weiter zurückgehender krisenbezogener Ausgaben in geringerem Tempo als das BIP.

Der aktuellen RWI-Konjunkturprognose liegt die Annahme zugrunde, dass sich das Infektionsgeschehen durch die neue Omikron-Variante des Corona-Virus nicht durchgreifend verschärft. Zudem wird angenommen, dass der Abbau der Lieferengpässe noch einige Zeit dauern wird. Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass der Welthandel zwar im Winterhalbjahr weiterhin von den Lieferproblemen und der Ausbreitung der Omikron-Variante belastet wird, die weltwirtschaftliche Erholung aber insgesamt intakt bleibt.

Zur aktuellen wirtschaftlichen Situation sagt RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt: „Im Winterhalbjahr wird die deutsche Wirtschaft von Corona-Maßnahmen und internationalen Lieferengpässen belastet werden, wenn auch nicht so stark wie zu Beginn dieses Jahres. Im Frühjahr dürften sich beide Hemmnisse abschwächen und die deutsche Konjunktur an Fahrt gewinnen.“

Quelle und Grafik: RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung e.V. / Foto: Fotolia

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