Ablehnung verpflichtender Bahnnutzung für Gütertransporte

von Hubert Hunscheidt

So können sich immerhin 27 Prozent der Befragten vorstellen, zukünftig die Bahn für notwendige Transporte zu nutzen, die bisher jedoch nur 20 Prozent der Branchenunternehmen genutzt wird.

Die Umfrage zeigt sehr deutlich, dass insbesondere die Deutsche Bahn in der Vergangenheit viel "Porzellan zerschlagen" hat. Der Mittelstand der Branche habe das Vertrauen in die Deutsche Bahn AG verloren, heißt es bei bvse und VDM. Die befragten bvse und VDM Mitgliedsunternehmen lehnen daher eine verpflichtende Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene strikt ab. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf "zahlreiche logistische Hürden", die ein solches Vorhaben scheitern lassen müsste.

Hintergrund der Verbandsumfrage war ein Vorschlag der Bundesratsausschüsse an den Bundesrat, der EU-Kommission vorzuschlagen, im Rahmen der Änderung der Abfallverbringungsverordnung für lange Transportwege grundsätzlich Bahn oder Schiff statt Lkw vorzuschreiben, um so relevante Emissionseinsparungen realisieren zu können.

Nach wie vor ist der Lkw, je nach Stoffstrom, oftmals der einzige nutzbare Verkehrsträger beziehungsweise das mit Abstand wichtigste Verkehrsmittel für die Entsorgung von Abfällen oder für die Belieferung der Verbraucher mit Sekundärrohstoffen. Er ist gleichzeitig zudem die Stütze im kombinierten Güterverkehr der Recyclingwirtschaft und ein unverzichtbares Transportmittel im Rahmen einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Auf die Bahn als alleiniges Transportmittel setzte daher keines der befragten Unternehmen, da immer die vorhandene Infrastruktur für die Wahl des Transportmittels ausschlaggebend ist. In sehr vielen Fällen sind Abfalltransporte ohne die Nutzung der Straße unmöglich.

Bahn und Schiff werden immer dort eingesetzt, wo es regional möglich, wirtschaftlich vertretbar oder von der Abnehmerseite her notwendig ist. Laut bvse/VDM-Umfrage nutzen rund 20 Prozent der Unternehmen die Bahn für einen Teil ihrer Transporte und weitere 9 Prozent können sich vorstellen, stillgelegte Gleisanschlüsse wieder in Betrieb zu nehmen. Dabei bezieht sich die Bereitschaft, die Bahn stärker zu nutzen, jedoch in der Regel auf Strecken ab einer Länge von 300 km, da erst dann die wirtschaftlichen und oftmals ökologischen Vorteile gegenüber dem Lkw zum Tragen kommen.

1/3 der Unternehmen hat angegeben, in früheren Jahren einen Gleisanschluss betrieben zu haben. Davon können sich jedoch derzeit nur 6 Prozent vorstellen, diesen wieder in Betrieb zu nehmen, während 91 Prozent der Befragten eine neuerliche Inbetriebnahme ablehnen. Hier zeige sich das mangelnde Vertrauen in die Deutsche Bahn sehr deutlich, betonen bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock und VDM-Hauptgeschäftsführer Ralf Schmitz.

In der Umfrage wurde das fehlende Vertrauen der Recyclingbranche in die Angebote der Deutschen Bahn AG deutlich. Häufig wurde auf die Folgen von MORA C (Marktorientiertes Angebot Cargo) oder die Entscheidung von 2016, Güterverladestellen zu schließen, hingewiesen. Hinzu komme die seit Jahren andauernde Mangelverwaltung der Waggons. Die Unzuverlässigkeit hinsichtlich Zeit und Menge bei Zustellung und Abholung war Inhalt vieler kritischer Kommentare seitens der befragten Unternehmen. All diese Faktoren führen dazu, dass eine stärkere Nutzung des Einzelladungsverkehrs der Deutschen Bahn durch die Recyclingunternehmen momentan vielfach nicht darstellbar ist, so das Fazit von bvse und VDM.

Jahrelang wurde der Gütertransport in der Fläche durch die Deutsche Bahn absichtlich vernachlässigt und vielerorts sogar durch die Stilllegung von Güterbahnhöfen oder den Rückbau von Gleisen (1994: 11.742 Anschlüsse und 2020: 2.351 Anschlüsse), Anschlussgleisen und -weichen vernichtet.

Beide Verbände machen deutlich, dass es wenig Sinn macht, Verpflichtungen ausschließlich für die Recycling- und Abfallwirtschaft anzuordnen, ohne vorab die nötigen technischen Voraussetzungen eines reibungslosen Gütertransports von Reststoffen jeglicher Art auf der Schiene auf das Vorhandensein von Möglichkeiten zu prüfen, denn das Streckennetz der Bahn weist große Defizite in der Fläche auf, aber oft finden genau an diesen Stellen Sammlung, Sortierung und Aufbereitung statt.

bvse und VDM fordern daher, den kombinierten Verkehr für alle Beteiligten stärker zu fördern, statt nur eine Branche auf eine erhöhte Nutzung der Schiene zu verpflichten. Es bleibt völlig unklar, warum die Verpflichtung ausgerechnet bei den Abfalltransporten und nicht bei allen Waren- und Gütertransporten umgesetzt werden soll, denn gerade die Recyclingwirtschaft befördert bereits heute zum Beispiel große Mengen an Fe- und NE-Metallschrotten über die Schiene und das Wasser.

Sofern die Voraussetzungen für die Nutzung des Bahnverkehrs technisch, ökologisch und ökonomisch erfüllt sind oder geschaffen werden, steht die Branche einer stärkeren Nutzung zur Verringerung klimaschädlicher Emissionen mehr als aufgeschlossen gegenüber.

Die Verbände bvse und VDM haben daher einen fünf Punkte umfassenden Forderungskatalog formuliert:

Forderungskatalog der Recyclingwirtschaft

Förderung des Einzelwagenladungsverkehrs im Rahmen des trimodalen Ladungsverkehrsausbaus, denn eine Verlagerung auf die Schiene ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen für den kombinierten Transport auf der letzten Meile und im Rahmen des Anschlusses an den Schienenverkehr gewährleistet sind.

Die Wiederbelebung stillgelegter Gleisanschlüsse und die Inbetriebnahme neuer Gleisanschlüsse müssen im Sinne des reibungslosen Ablaufs der Ent- und Versorgung mit Sekundärrohstoffen kurzfristig und vor allen Dingen unbürokratisch und in einem genehmigungsrechtlich vereinfachten Verfahren durchführbar sein. Es geht nicht nur um den Gleisanschluss oder die Ladestelle alleine, auch die Lagerflächen und Verkehrswege im unmittelbaren Umfeld müssen unbedingt in die Betrachtungen miteinbezogen werden. Neue Gewerbegebiete sollten einen Gleisanschluss ohne finanzielle Beteiligung der Unternehmen, analog wie den bereits durch Steuermittel erstellten Straßenanschluss, bekommen und in Genehmigungen von Gewerbegebieten gefördert werden.

Um Transportmengen auf die Schiene verlagern zu können, bedarf es ausreichender Kapazitäten. Statt der bisherigen Mangelverwaltung von Waggons durch die Deutsche Bahn, bedarf es Investitionen in moderne, flexible Güterwagen. Für privatwirtschaftliche Schienengütertransportunternehmen sollten gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten.
Um den Transport auf der Schiene zu steigern und ihn somit wettbewerbs- und zukunftsfähig zu machen, bedarf es der technischen Erneuerung (z. B. automatisierte Kupplungssysteme), der Digitalisierung (z. B. digitale Einstiegsportale für kleine Unternehmen) und der Harmonisierung des gesamten europäischen Bahnverkehrs. Der Schienengüterverkehr darf nicht an den Grenzen der EU-Mitgliedsländer enden oder eingeschränkt werden.

Zur nötigen Erhöhung der Kapazität im Güterverkehr müssen Anreize, z. B. zum Kauf von umweltfreundlichen Güterzug-Lokomotiven oder auch Güterwagen auch für privatwirtschaftliche Güterverkehrsbetriebe, geschaffen werden und die Trassenpreise, wie bei Lkw auf Nebenstrecken, deutlich reduziert werden.
Quelle:

Quelle: bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. und VDM-Verband Deutscher Metallhändler und Recycler e.V. / Foto: marketSTEEL

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