Wasserstoffhochlauf steckt im Investitionsstau fest

von Hubert Hunscheidt

Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ist auf einem guten Weg – aber nur auf dem Papier. Das geht aus der vierten H2-Bilanz hervor, die E.ON heute auf Basis von Daten des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) veröffentlicht hat. Die bis 2030 geplante Wasserstoff-Erzeugungsleistung ist von 8,7 Gigawatt im August 2023 auf 10,1 Gigawatt im Februar 2024 gestiegen. Damit hat sich der Aufwärtstrend der Planungen etwas verstärkt, bleibt aber erst einmal Theorie. Denn nur die Realisierung aller geplanten Projekte würde auch bedeuten, dass das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 eine Elektrolyseleistung von 10 Gigawatt in Deutschland zu installieren, erreicht wird.

Es besteht jedoch eine große Diskrepanz zwischen geplanten Projekten und finalen Investitionsentscheidungen. Dies wird in der vierten H2-Bilanz erstmalig mit Zahlen untermauert: Von 88 angekündigten Projekten liegt nur für 16 Projekte mit einer geplanten Erzeugungsleistung von insgesamt 0,3 Gigawatt eine finale Investitionsentscheidung vor – und damit für nur rund drei Prozent der angekündigten Elektrolysekapazität.

E.ON sieht verschiedene Gründe als mögliche Hemmnisse für Investitionsentscheidungen. Die Veröffentlichung der Delegierten Rechtsakte der EU zur Definition von erneuerbarem Wasserstoff hat zwar insgesamt zu mehr Rechtssicherheit geführt. Es bestehen jedoch nach wie vor Unsicherheiten im Hinblick auf die Zertifizierung und Anrechnung von erneuerbarem Wasserstoff. Außerdem sind Fördermittel noch nicht ausreichend, strenge Auflagen sowie verspätete Förderzusagen sind ebenfalls Investitionshemmnisse. Zudem fehlen bisher Transport- und Speicherinfrastruktur. Die Einigung zu den Konditionen und zur Finanzstruktur für das Kernnetz ist ein wichtiger Schritt für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur. Mit einer möglichen Verlängerung der Fertigstellung bis 2037 könnten einige Leitungen jedoch erst später für die Kundenversorgung zur Verfügung stehen.

Die Länge der in Deutschland betriebenen reinen Wasserstoffleitungen hat sich wie bereits bei Veröffentlichung der letzten H2-Bilanz im November 2023 nicht verändert. Nachdem es allerdings im Herbst eine deutlich positive Entwicklung bei den Planungen für ein Wasserstoffnetz gab (Anstieg um mehr als 100 Prozent), ist in der vierten H2-Bilanz nur ein leichter Anstieg von 5708 Kilometern geplanten Leitungen auf 6207 Kilometer zu beobachten (Anstieg um knapp 9 Prozent). Die kürzliche Einigung bei der Finanzierung des Wasserstoffkernnetzes bringt zwar mehr Sicherheit, allerdings wird sich zeigen, ob die Finanzierungskonditionen für potenzielle Investoren attraktiv genug sind. Eine schnelle Umsetzung des angekündigten Wasserstoff-Beschleunigungsgesetzes könnte dem Infrastrukturausbau durch kürzere Planungs- und Genehmigungsverfahren zusätzlich Tempo verleihen.  

Neu ist in der H2-Bilanz die Rubrik „Regulatorische Meilensteine“, die einen Überblick darüber gibt, welche Rahmenbedingungen bereits beschlossen wurden und welche Meilensteine noch ausstehen. Dies ermöglicht es, kausale Zusammenhänge zwischen politischen Entscheidungen und der Entwicklung der Daten aufzuzeigen.

Gabriël Clemens, Geschäftsführer bei E.ON Hydrogen: „Deutschland befindet sich beim Wasserstoffhochlauf erst am Anfang eines langen Weges. Der deutliche Aufwärtstrend bei der bis 2030 geplanten Elektrolysekapazität seit der erstmaligen Erhebung der H2-Bilanz sieht in der Theorie zunächst gut aus. In der Praxis sind wir von unserem Ziel noch weit entfernt. Die aktuell installierte Leistung hat sich kaum weiterentwickelt. Der Anteil der geplanten Projekte, die über eine finale Investitionsentscheidung verfügen, ist viel zu gering. Wir bräuchten dreißig Mal mehr, um die von der Bundesregierung vorgegebenen 10 Gigawatt zu erreichen. Mit der nun vorliegenden vierten H2-Bilanz wollen wir erneut die Dringlichkeit für mehr Tempo beim Wasserstoffhochlauf aufzeigen. Wir bei E.ON sehen es als unsere Verantwortung, die Politik mit entsprechenden Impulsen zu unterstützen.“
Um den Wasserstoffhochlauf zu beschleunigen, müssen aus Sicht von E.ON alle Optionen ausgeschöpft werden. Eine davon ist die Förderung systemdienlicher Elektrolyseure. Sie können dort entlasten, wo es Stromnetzengpässe gibt, können zentral oder kundennah grünen Wasserstoff erzeugen und den heimischen Markt anregen. Um der Planung von systemdienlichen Elektrolyseuren einen Anschub zu geben, hat E.ON gemeinsam mit Thüga das EWI mit einer weiteren Studie beauftragt. Darin wird untersucht, wo in Deutschland systemdienliche Elektrolyse-Projekte sinnvoll wären. Denn diese haben einen doppelten Nutzen – sowohl auf der Strom- als auch auf Wasserstoffseite. Die Ergebnisse sollen im Sommer kommuniziert werden.

Die Daten der H2-Bilanz und weitere Informationen sind hier zu finden.

Quelle: E.ON SE / Foto: marketSTEEL unter Verwendung der KI DALL-E

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