"Digitale Innovationen erfordern Startup-Ansatz"

von Alexander Kirschbaum

"Es geht nicht darum, Groß anzufangen, sondern es geht darum, überhaupt anzufangen", so lautete die Empfehlung von Sebastian Grethe auf der diesjährigen Handelsblatt Jahrestagung "Zukunft Stahl". Der Gründer und Geschäftsführer der Mapudo GmbH veranschaulichte auf seinem Vortrag "Digitalisierung jetzt starten - aber wie?" die Unterschiede von Industrieunternehmen und Startups.

Zunächst machte Grethe deutlich, was ein Startup überhaupt ist, und zog dabei zwei Definitionen des bekannten Silicon-Valley-Entrepreneurs Eric Ries heran. Die erste Definition betrifft das Geschäftsmodell:" „Ein Startup ist eine temporäre Organisation auf der Suche nach einem Geschäftsmodell, das wiederholbar, skalierbar und profitabel ist.“ Demzufolge ist das Geschäftsmodell eines Startups also noch nicht bewertet und es besteht ein hohes Risiko, dass dieses nicht funktionieren kann. Andererseits ergibt sich aus der Wiederholbarkeit und Skalierbarkeit ein großes Potenzial. Die zweite Definition von Eric Ries geht auf die besondere Arbeitsweise ein: "Ein Startup ist eine Organisation, welche neue Produkte oder Lösungen unter Umständen extremer Ungewissheit entwickelt.” Agile Umsetzungsmethoden sind es laut dieser Definition also, die ein Startup ausmachen.

Konzern-Ansatz und Startup-Ansatz

Konzerne/Industrieunternehmen und Startups verfolgen laut dem Referenten unterschiedliche Ansätze. Erstere nehmen zu Beginn einers Projektes alle Anforderungen auf, erstellen ein Lastenheft und setzen es erst bei Vollständigkeit um, so Grethe. Der Fokus eines Industrieunternehmens liege in der Vermeidung von Risiken.

Digitale Innovationen erfordern laut Grethe allerdings einen Startup-Ansatz, denn bei neuen digitalen Produkten seien die Anforderungen noch gar nicht ausreichend bekannt. Hier gehe es zunächst einmal darum, ein minimal funktionsfähiges Produkt zu entwickeln, Feedback von den Nutzern aufzunehmen und es dann weiter zu entwickeln. "Diese Schleife durchläuft man immer wieder, bis man ein Marktfähiges, skalierbares Produkt umgesetzt hat", erklärte der Referent. Der Fokus hierbei: Nutzung von Chancen und Anwendung in der Digitalwirtschaft.

"Meine Erfahrung ist, dass sich Industrieunternehmen mit diesem Ansatz sehr schwer tun. Je größer der Konzern, desto häufiger die Vorstellung, von Anfang an etwas Großes machen zu müssen. Das widerspricht aber dem Startup-Ansatz und beeinhaltet die Möglichkeit, groß zu scheitern." Dabei sei nicht der Umsetzungsprozess problematisch, sondern die Organisationsstruktur von Industrieunternehmen. Die industrielle "Command & Control-Struktur" ist Grethe zufolge nicht für skalierbare Digitalisierungsvorhaben geeignet, da Entscheidungen dort sorgfältig unter Einbindung aller notwendigen Beteiligten vorbereitet und dann von der obersten Entscheidungsebene Top-down umgesetzt werden. Dies habe seine Berechtigung bei Kapitalintensiven Entscheidungen, wenn die Fehlerkosten hoch und Perfektion wichtig sei.

Fehler sind Teil des Prozesses

Startups erforden hingegen eine bestimmte Fehlerkultur, denn lernen und scheitern ist dort Teil des Prozesses, so Grethe. Digitalinvestitionen benötigen andere Entscheidungsprozesse als Sachinvestitionen, denn bei ihnen ist Geschwindigkeit wichtiger als Perfektion, wie der Referent erläuterte. "Neben der Organisationsstruktur sind Industrieunternehmen auch von ihren Investitionen darauf ausgerichtet, etwas Großes zu schaffen. Grade die Stahlindustrie ist sehr Kapitalintensiv. Eine geringe Fehlertoleranz hat in diesem Umfeld auch ihre Berechtigung, doch das Übertragen auf digitale Vorhaben fällt in einem solchen Rahmen schwer. Denn: In der digitalen Welt fängt man klein an, nimmt zunächst vergleichsweise wenig Geld in die Hand und es geht weniger um Fehlervermeidung als um Geschwindigkeit."

Als letzten Aspekt ging Grethe auf die Mitarbeiter ein. Mit industriegeprägten „Knowledge Workers“ seien digitale Veränderungsprozesse häufig schwer zu realisieren. Die sogenannten "Knowledge Worker" seien u.a. lange im Unternehmen, hätten fachliches Expertenwissen aufgebaut und würden Veränderungen eher als Gefahr für den Status Quo ansehen. Die Mitarbeiter von Startups wechelten hingegen häufig das Unternehmen, seien unbeeindruckt von Hierarchien und schnell gelangweilt. "Auf dem Digitalmarkt ist ein anderer Typ Mensch gefragt als der Mitarbeiter im Industrieunternehmen, der im Kerngeschäft tätig ist. Ein Erfolgsfaktor in der digitalen Welt ist, das man Leute einstellt, die schlauer sind als man selbst", so Grethe.

"Laufen müssen Sie selbst"

Zum Abschluss seines Vortrags verglich der Geschäftsführer von Mapudo Digitalisierung mit einem Sportprogramm. Ein Masterplan sei weder notwendig noch hilfreich, um zeitnah zu starten. "Digitalisierung kann nicht ausgelagert werden. Sie können sich Berater ins Haus holen, aber laufen müssen sie selbst. Wichtig ist, dass die Organisation als solche anfängt." Ein erster Schritt im Digitalisierungsmarathon sei es, in verschiedenen Initiativen vom Kunden her zu lernen. Anfangen könnten Industrieunternehmen beispielsweise in Übungsfeldern mit geringen Fehlerkosten, etwa dem Vertrieb von 2A-Material oder Restmengen.

Quelle: Vortrag von Sebastian Grethe am 8. März auf der Handelsblatt Jahrestagung Zukunft Stahl. Fotos: marketSTEEL

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