Antwort auf US-Zölle: Warum eine EU-Barriere gegen Stahlimporte falsch wäre

von Dagmar Dieterle

Es ist gekommen, wie es zu befürchten war: US-Präsident Trump will Zölle in Höhe von 25% gegen Stahleinfuhren aus allen Ländern erheben. Die EU-Stahlindustrie fordert umgehend Schutz vor Handelsumlenkungen von Stahl aus anderen Ländern. Es wird heiß diskutiert, wie die EU jetzt reagieren sollte. Lesen Sie vier Gründe dafür, warum eine Begrenzung der EU-Stahleinfuhren die falsche Antwort wäre.

Auch wenn der Ruf der europäischen Stahlindustrie nach einem schnellen Schutz vor umgelenkten Stahlimporten auf den ersten Blick einleuchtend scheint, weist er doch einen falschen Weg. Und das aus folgenden Gründen:

  1. Einfuhrbarrieren der EU treffen die Falschen

    Ziel von EU-Gegenmaßnahmen sollte derjenige sein, der den Konflikt ausgelöst hat. Und das ist US-Präsident Trump. Folgerichtig sollten Gegenmaßnahmen der EU alleine die USA treffen und nicht weitere Länder, die ebenfalls Opfer der US-Maßnahmen sind. Dies gilt umso mehr, als es unklar ist, ob Schutzmaßnahmen gegen befürchtete Handelsumlenkungen mit den Regeln der Welthandels-Organisation WTO vereinbar sind. Für das Exportland Deutschland muss es oberste Priorität haben, ein regelbasiertes Welthandelssystem aufrecht zu erhalten. Die WTO sieht als Instrument gegen unfaire Importe Antidumping-Maßnahmen vor. Nicht gedumpte Einfuhren sind ein unverzichtbares Element des freien Handels und sollten daher nicht beschränkt werden.
  2. Handelsumlenkungen sind nicht vorherzusagen

    Die Behauptung, der aus den USA ausgesperrte Stahl würde sich flugs seinen Weg in die EU suchen, ist – eine Behauptung. Die Folgen der US-Maßnahmen sind heute seriös noch nicht vorherzusagen. Denn Handelsströme hängen von vielen Faktoren ab, vor allem von internationalen Preisrelationen.

    Die Stahlpreise in den USA sind schon jetzt die höchsten der Welt. Daher sind die USA ein äußerst lukratives Ziel von Exporten aus aller Welt. Für das Referenzprodukt Warmbreitband liegen die US-Preise aktuell zum Beispiel ca. 20% über dem EU-Niveau. Und in freudiger Erwartung einbrechender Importe drehen die US-Werke gerade eifrig weiter an der Preisschraube. Daher könnte sich der Export künftig auch unter Inkaufnahme eines Zolles von 25% lohnen, zumal manche der importierten Stähle in den USA gar nicht hergestellt werden. Zudem ist noch nicht klar, in welchem Umfang individuelle Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, die mit dem Präsidentendekret unter bestimmten Bedingungen ermöglicht werden.

    Die Annahme, dass vom US-Markt ausgesperrte Mengen mit aller Macht nach Europa strömen, ist gewagt. Der hiesige Markt ist preislich weniger attraktiv, die Nachfrage ist weniger dynamisch. Manches wichtige Herkunftsland der US-Importe ist zudem bisher am EU-Markt kaum präsent, und kann nicht aus dem Stand große Mengen nach Europa liefern. Zudem entfällt ein großer Teil der US-Importe auf Rohre und auf Halbzeuge zum Weiterauswalzen, für die der EU-Markt begrenzt ist. Der EU-Markt ist zudem nicht offen, sondern schon jetzt durch zahlreiche hohe Antidumping-Zölle gegen verschiedene Länder geschützt. Einen ungebremsten Zustrom von Stahl aus Ländern wie China oder Russland kann es daher nicht geben.
  3. Isoliertes Denken hilft nicht weiter

    Die EU sollte nicht den Fehler des US-Präsidenten wiederholen und einzelne Branchen isoliert betrachten. Stahl steht am Anfang von vielfach vernetzten Wertschöpfungsketten. Trump ist es offenbar egal, dass US-Stahlverarbeiter und letzten Endes die Konsumenten den Preis für den Schutz der vergleichsweise kleinen Stahlindustrie zahlen werden. Die EU sollte weiter denken und die volkswirtschaftlichen Folgewirkungen einbeziehen. Wenn zum Beispiel US-Stahl noch teurer wird, hat dies für die US-Metallindustrie einen Verlust von Wettbewerbsfähigkeit zur Folge. Daraus ergeben sich neuen Marktchancen für Hersteller in anderen Regionen, die ihren Stahl nicht zu künstlich aufgeblähten Preisen beziehen müssen. Offene Märkte sind das beste Mittel für eine ausreichende Versorgung zu marktgerechten Preisen.
  4. Die Stahl-Industrie befindet sich nicht mehr in einer Krisensituation

    Das immer wieder bemühte Wort von einer Stahl-Krise, verursacht durch globale Überkapazitäten, geht vollkommen an den heutigen Realitäten vorbei. Die Lage am internationalen Stahlmarkt hat sich seit 2015 massiv geändert. Heute sind die Stahlpreise weltweit so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr. Der Abstand der Stahlpreise zu den Rohstoffkosten ist gar so groß wie seit zehn Jahren nicht mehr. Weltweit – auch in den USA - bewegen sich folgerichtig die Gewinne vieler Stahlhersteller in Regionen, die zuletzt im Boomjahr 2008 erreicht wurden. Eine besondere Schutzbedürftigkeit der Stahlindustrie ist derzeit daher selbst dann nicht gegeben, wenn man eine besondere Bedeutung für nachgelagerte Industrien annimmt.

 

 

Der Beitrag stammt vom Leverkusener Stahlmarkt-Berater Andreas Schneider, StahlmarktConsult. Foto: StahlmarktConsult

Der Gastkommentar spiegelt die Meinung des Autors wider, nicht notwendigerweise die der Redaktion von marketSTEEL.

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